Unruhen in Syrien: Rätsel um verschwundene Bloggerin
Die Geschichte von Amina Arraf berührte Menschen überall auf der Welt. Nun sind Zweifel aufgekommen, ob die junge Frau überhaupt existiert.
BERLIN taz | Es ist eine Geschichte, die sich ideal eignet, um zu illustrieren, was derzeit in Syrien geschieht: Eine unerschrockene junge Frau mit doppelter Staatsbürgerschaft, die offen lesbisch in Damaskus lebt, und den Repressionen der Sicherheitsdienste ihre offenen, eindringlichen Worte entgegenstellt. Mit ihrem Blog Damascus Gay Girl hat Amina Abdallah Arraf Menschen überall auf der Welt berührt.
Am Montag Abend gab eine Frau, die sich Rania Ismail nannte und als Aminas Cousine bezeichnete, bekannt, Arraf sei auf offener Straße verschleppt worden, vermutlich vom syrischen Geheimdienst. Umgehend formierten sich auf Facebook Gruppen, die sich für ihre Freilassung einsetzten. Medien in aller Welt, darunter der Guardian, CNN, Al Jazeera, und auch die taz, berichteten über ihr Schicksal.
Doch unterdessen mehren sich die Ungereimtheiten. Zunächst meldete sich eine junge Kroatin in London zu Wort: Die Bilder, die auf Facebook verbreitet wurden, zeigten nicht Amina Arraf, sondern sie selbst. Die Fotos seien von ihrem Profil gestohlen worden. Eine Kanadierin namens Sandra Bagaria, die sich bislang als ihre Partnerin ausgegeben hatte, räumte nun ein, sie habe immer nur über E-Mail mit Arraf kommuniziert.
Niemandem ist es bisher gelungen, mit ihrer Familie in Kontakt zu treten. Zudem gibt es einen weiteren Blog unter ihrem Namen. Der Blog mische reale und fiktive Texte, schreibt die Autorin. Darin waren schon vor Jahren Einträge zu lesen, die nun erneut auf "Damascus Gay Girl" erschienen.
Da Arraf auch einen amerikanischen Pass haben soll, versucht die US-Botschaft in Syrien, Näheres über sie zu erfahren – bislang ohne Erfolg. All dies bedeutet noch nicht, dass Amina Arraf nicht existiert. Aktivisten in Syrien weisen darauf hin, dass viele Blogger ihre Identität verschleiern, um sich zu schützen. So zeigt die Geschichte, wie schwer es derzeit ist, gesicherte Informationen aus Syrien zu bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs