Unruhen in Inguschetien: Aufruf zur Blutrache
Eine oppositionelle Internetseite macht die Staatsführung Inguschetiens für den Mord an ihrem Betreiber verantwortlich. Magomed Jewlojew wurde in Polizeigewahrsam erschossen.
Inguschetien kommt nicht zur Ruhe. In der Nordkaukasusrepublik kam es in dieser Woche erneut zu Angriffen auf Staatsvertreter. Während bei dem Sprengstoffanschlag auf einen Minister in Karabulak niemand verletzt wurde, starben bei einem Überfall auf die Wachmannschaft des Innenministers zwei Polizisten. Bei dem Angriff auf ein staatliches Waffenlager wurden zwei Wachmänner verletzt. Bei einem Anschlag in Nasran am Montag hatten zuvor drei Zivilisten ihr Leben verloren.
Die Situation in Inguschetien hat sich seit der Ermordung des Betreibers einer oppositionellen Internetseite zugespitzt. Am Grab des Betreibers von Ingushetiya.ru, Magomed Jewlojew, wurde zur Blutrache aufgerufen. Mit der Veröffentlichung einer Liste von 13 Personen, die für den Mord verantwortlich gemacht werden, hatte das Internetportal die Stimmung weiter angeheizt. Die Liste wird von Inguschetiens Präsidenten Murat Sjasikow angeführt, der Ingushetiya.ru zufolge den Mordbefehl gegeben haben soll. Für die 13 Personen finde nun die traditionelle Blutrache Anwendung, heißt es auf der Seite. "Keine hohen Zäune, Ämter oder Dienstgradabzeichen werden sie am Tag des Gerichts schützen", heißt es weiter.
Von den Betreibern der Seite werden derzeit Angaben zu zwei weiteren mutmaßlichen Mittätern geprüft. Sollte sich deren Mitschuld an dem Mord bestätigen, werde Ingushetiya.ru auch deren Namen veröffentlichen. Schon am Freitag war Tarchan Sjasikow, ein Verwandter des inguschischen Präsidenten, bei einem Anschlag verletzt worden.
Der Betreiber von Ingushetiya.ru, Magomed Jewlojew, war am 31. August bei der Landung in der Hauptstadt Magas verhaftet und wenig später unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam erschossen worden. Ein Mobiltelefon und umgerechnet etwa 90.000 Euro, die Jewlojew in bar mit sich hatte sind spurlos verschwunden. Jewlojew saß mit Präsident Sjasikow im Flugzeug. Bereits dort soll es zu Auseinandersetzungen gekommen sein.
Noch während der Tschetschenienkriege in den 90er-Jahren galt das Land als sicher. Nach Sjasikows Machtantritt von 2002 griff der Machtmissbrauch der staatlichen Sicherheitskräfte um sich. Menschenrechtsorganisationen berichten von einer besorgniserregenden Zunahme von Gewalt, Folter und Mord, die auf das Staatskonto gingen. Nicht weniger gewalttätig sind die Aufständischen. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Medien nicht von Angriffen auf Beamte und Sicherheitskräfte berichten.
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