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Unkontrollierte Preisentwicklung

■ De Maiziere will mit Wettbewerbsschutz gegen Monopole vorgehen lassen / Geldstrafen angekündigt

Berlin (dpa/ap) -Die große Unzufriedenheit über die neuen Verbraucherpreise wenige Tage nach der Währungsunion hat gestern erneut das DDR-Parlament beschäfigt. Ministerpräsident Lothar de Maiziere forderte vor der Volkskammer, daß die Treuhandanstalt zur Privatisierung volkseigener Betriebe sofort tätig werde. Über das Amt für Wettbewerbsschutz sollten notfalls bestehende Monopolverträge zerschlagen werden.

Bereits am Donnerstag hatte das DDR-Wirtschaftsministerium landesweite Preiskontrollen durch das Amt für Wettbewerbsschutzangekündigt und betont, die Unternehmen seien zu Preisbildung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen verpflichtet. Ein Mißbrauch liege aber vor, wenn für Erzeugnisse oder Leistungen Preise gefordert würden, die infolge eingeschränkten Wettbewerbs unangemessen seien. Angekündigt wurden Strafen bis zu einer Million Mark.

Handelsministerin Sybille Reider (SPD) äußerte während der gestrigen Volkskammersitzung ihr Verständnis für die entstandene allgemeine Unruhe. Ansonsten versuchte sie mit Beschwörungen der Preisentwicklung Frau zu werden: „Wir brauchen den gesunden Wettbewerb.“ Zur Stärkung desselben kündigte sie Finanzierungsmodelle für die Gründung privater Geschäfte an. Derzeit könne der Großhandel ein Preisdiktat ausüben.

Der Staatssekretär im Berliner Landwirtschaftsministerium sprach sich für die verstärkte Absatzförderung aus. Es seien genug in der DDR produzierte Grundnahrungsmittel bei den Erzeugern vorhanden. Sie würden nur vom Großhandel nicht abgefordert.

Die Bündnis-90-Fraktion in der Volkskammer sieht angesichts der jüngsten Preisentwicklung schon den „nationalen Notstand“ heraufziehen. Ein derzeit „nahezu vollständiger Boykott der DDR-Produkte durch den Handel“, hieß es in einer gestern verbreiteten Presseerklärung, werde zu einem raschen Zusammenbruch vieler Betriebe führen. Die Ursache für die Entwicklung sieht das Bündnis in der Monopolisierung des Handels und dem zunehmenden Druck von West-Partnern, Ost -Produkte nicht ins Sortiment aufzunehmen.

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