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Unipräsident Dieter Lenzen"Die Leute fühlen sich ermutigt"

Die Uni hat gutes Personal, sagt deren Präsident Dieter Lenzen. Aber zu radikale Strukturänderungen hätten zur Traumatisierung geführt. Und es fehlen 50 Millionen.

Hält Hamburg für einen guten Uni-Standort: Präsident Dieter Lenzen. Bild: dpa
Kaija Kutter
Interview von Kaija Kutter

taz: Herr Lenzen, Sie sind seit einem halben Jahr Präsident der Uni Hamburg. War der Wechsel von Berlin eine gute Idee?

Dieter Lenzen: Ich denke ja. Hier sind große Aufgaben zu bearbeiten und es ist spannend zu sehen, wie sehr sich Hochschulen unterscheiden. Man kann nicht in der einen das Gleiche machen wie in der anderen. Jede Institution hat ihre Kultur, ihre Art, Wissenschaft zu machen. Mir gefällt das Sozialklima. Die Leute achten aufeinander.

Inzwischen sagen Sie, die Universität Hamburg sei unterfinanziert. Wo fehlt das Geld?

In der Summe fehlen etwa 48 Millionen Euro. Das summiert sich aus Kürzungen dieses Jahrzehnts. Vergleicht man den Steigerungsgradienten der Ausgaben für Hochschulen, liegt Hamburg auf dem letzten Platz. Dieser Gradient gibt Auskunft darüber, wie ernst eine Landesregierung sich bemüht, der Wissenschaft Priorität einzuräumen.

Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen der Sparklausur?

Das Wort zufrieden ist unangemessen, wenn wir sagen, wir brauchen, um mithalten zu können, im Grunde 50 Millionen Euro mehr. Auf den ersten Blick sieht die Sparliste harmlos aus. Aber allein bei der Verwaltung werden uns 2,5 Millionen Euro gestrichen. Das entspricht 50 Stellen, die sind gar nicht frei. Also ist nicht auszuschließen, dass zwischenzeitlich Stellen außerhalb der Verwaltung vakant bleiben. Und bei den Studiengebühren wird es grotesk. Studierende können die Gebühr stunden lassen. Die Verwaltungskosten für diese Kreditvergabe sollen künftig aus Gebühren bezahlt werden, wodurch der Spielraum für Verbesserungen der Lehre eingeengt wird.

Dieter Lenzen, 62

ist Erziehungswissenschaftler und seit März Präsident der Universität Hamburg. Zuvor leitete er sechs Jahre lang die Freie Universität Berlin.

Mindern die Einsparungen die Chancen im neuen Exzellenzwettbewerb?

Die Struktur ist stabil, wir müssen keine Professuren streichen. Das muss man sagen. Auch gibt es neu die Wissenschaftsstiftung als Finanzquelle für Forschungsvorhaben. Aber diese Mittel werden nur über Antrag vergeben. Es gibt nur eine knappe Grundfinanzierung für Forschung. Für ganz normale Hochschulehrer ist es schwer, solche Anträge zu entwickeln, weil sie keine Mitarbeiter haben. Hamburg steckt da in einer Falle. Es fehlen Stellen für den Mittelbau.

Nächste Woche beginnt das Wintersemester. Was sagen Sie den Anfängern: Kann man in Hamburg gut studieren?

Dies ist eine sehr gute Universität mit hervorragendem Personal. Deswegen kann man hier gut studieren. Das bezieht sich aber nicht auf die Studienbedingungen. Hier haben wir nachdrücklich Verbesserungsbedarf.

Es starten auch zum ersten Mal die Masterstudiengänge. Bei den Wirtschaftswissenschaften gab es viel zu wenig Plätze. Ist das in allen Fächern so?

Das ist extrem unterschiedlich. Es gibt Fächer, wo es weniger Bewerber gibt als Plätze. Und es gibt das Umgekehrte. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern hatten wir 1.140 Bewerber für 170 Plätze, darunter sehr viele von außen. Wir hatten in Hamburg 192 Bachelor-Absolventen, es wäre also fast aufgegangen. Nur darf die Universität Landeskinder nicht bevorzugen und muss auswählen.

Man konnte lesen, Sie fordern eine Bachelor-Master-Übergangsquote von 100 Prozent.

Damit meine ich keine Landeskinderregelung. Aber wer einen Bachelor-Abschluss hat, muss auch die Möglichkeit haben, in Deutschland einen Master zu machen. Dann sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt viel größer. In der Schweiz gilt deshalb der Master als der erste berufsqualifizierende Abschluss.

2009 gab es große Proteste gegen das verschulte Bachelor-Studium. Bessert sich an diesem Punkt etwas?

Es tut sich was. Hochschulen und Asten haben eine Liste mit Verbesserungen erarbeitet. Sofern dafür die Prüfungsordnungen geändert werden müssen, werden diese aber noch nicht in diesem Winter greifen.

Muss so ein Bachelor nicht einfach länger dauern?

Ja. Wenn wir einen achtsemestrigen Bachelor hätten, wären uns viele Probleme erspart geblieben. Aber die Politik wollte sparen und schnell mehr Studienanfänger unterbringen.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt im März sagten Sie, die Uni mache den Eindruck einer "traumatisierten Institution". Hat sich das entspannt?

Ich habe den Eindruck, die Leute fühlen sich ermutigt, weil die Aufmerksamkeit dafür gewachsen ist, dass dies eine gute Universität ist.

Sie führten die Traumatisierung auf radikale Strukturänderungen zurück. Inzwischen hat eine Kommission das Hochschulgesetz evaluiert und eine Liste mit Änderungen vorgeschlagen. Die richtigen?

Da sind etliche dabei. So soll es unterhalb der Fakultäten neue Strukturen geben. Das macht Sinn. Meiner Meinung nach war es keine gute Idee, so große autonome Fakultäten zu bilden.

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