: Union streitet über türkischen EU-Beitritt
Merkel will die Türkei nicht in der EU haben. Ihre Unionskollegen Volker Rühe und Ruprecht Polenz finden das ungerecht. Die Türkei dürfe beitreten, wenn sie die Kriterien erfülle. SPD kritisiert den „Schlingerkurs“ der Union
BERLIN afp ■ Der Vorstoß von Angela Merkel gegen einen EU-Beitritt der Türkei hat in der Union eine Kontroverse ausgelöst. CDU-Europapolitiker Matthias Wissmann und CSU-Generalsekretär Markus Söder stellten sich hinter Merkel. Dagegen plädierte nach dem CDU-Außenpolitiker Volker Rühe auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, wenn die von der EU festgelegten Kriterien erfüllt seien. Die SPD warf der Union einen „Schlingerkurs“ vor.
„Wir machen die Europäische Union kaputt, wenn wir sie überdehnen“, warnte hingegen Wissmann. Das Land sei zu weit vom durchschnittlichen Wohlstandsniveau in der EU entfernt. Wissmann plädierte wie Merkel für das Konzept einer „privilegierten Partnerschaft“ als Alternative zur EU-Mitgliedschaft.
Dafür sprach sich auch Söder aus. Ein Beitritt der Türkei würde Europa überfordern, sagte der CSU-Generalsekretär. Merkel hatte sich in einem Schreiben an konservative Regierungschefs und Parteivorsitzende der EU gegen Beitrittsverhandlungen gewandt.
Vorsichtig äußerte sich der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Hans-Gert Pöttering. Er plädierte zwar gleichfalls für das Partnerschaftsmodell, vermied aber ein Nein zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Eine „privilegierte Partnerschaft“ könne auch das Ergebnis solcher Verhandlungen sein. Klar gegen Beitrittsverhandlungen sprach sich Pöttering allerdings für den Fall aus, dass in den Gefängnissen der Türkei systematisch gefoltert würde.
Polenz hingegen plädierte, man müsse der Türkei eine EU-Vollmitgliedschaft ermöglichen: „Falls die Türkei die Kriterien zur Mitgliedschaft in der EU erfüllt, muss sie eine faire Chance erhalten.“ Eine EU-Mitgliedschaft des Landes könne helfen, die Kluft zwischen der islamischen Welt und dem Westen zu überwinden. Polenz betonte jedoch, es gehe „nicht um einen Beitritt im Jahr 2005, sondern erst sehr viel später“. Gegenwärtig sei die Türkei noch nicht beitrittsreif.
Der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Thomas Kossendey (CDU), verteidigte den Vorstoß Merkels als Ausdruck großer Verantwortung. Er selbst plädierte aber im Deutschlandradio Berlin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sofern der Bericht der EU-Kommission dies empfehle.
Die Aussicht auf einen EU-Beitritt fördere in der Türkei politische und wirtschaftliche Reformen, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski. Er rechne mit positiven Impulsen auch für die deutsche Industrie.