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UngarnRechtsextremisten rüsten auf

Mit der "Ungarischen Garde" hat die Ultranationalisten-Partei Jobbik jetzt eine paramilitärische Gruppe. Die ist entschlossen, ihr Land mit Waffen zu verteidigen. Ungarns Juden sind entsetzt.

Wollen in der Tradition des Ungarn-Aufstands 1956 stehen - erinnern aber eher an die faschistischen Pfeilkreuzler. Bild: rts

Vor dem Amtssitz des ungarischen Staatschefs, der Budapester Burg, wurden am Samstag 56 schwarz uniformierte Freiwillige der paramilitärischen "Ungarischen Garde" feierlich vereidigt. Die Zahl 56 sollte an den antikommunistischen Aufstand von 1956 erinnern. Die Gardisten selber verstehen sich als Nachfolger der Revolutionäre von damals, obwohl ihre Symbole eher an die der ungarischen faschistischen Pfeilkreuzler erinnern, die mit Hitler paktierten und aktiv an der Deportation der Juden mitwirkten.

An der sorgsam inszenierten Zeremonie beteiligten sich rund 3.000 Sympathisanten. Lajos Für, der nach der Wende von 1990 bis 1994 Verteidigungsminister in der ersten postkommunistischen Regierung war, verteilte die Aufnahmeurkunden. Die Parlamentsabgeordnete der rechtsnationalen Oppositionspartei Fidesz (Ungarischer Bürgerverband), Maria Wittner, hielt eine Rede. Vertreter der Kirchen segneten die rot-silbern-roten Árpád-Fahnen der Garde, die sich als Selbstverteidigungsorganisation begreift.

Das erklärte Ziel der "Ungarischen Garde" besteht darin, das heute als "seelisch und geistig wehrlose Ungarn" auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, insbesondere gegen Rumänien und die Slowakei. In den Nachbarländern leben starke ungarische Minderheiten, die irgendwann ins Mutterland zurückgeholt werden sollen.

Der Anschluss Siebenbürgens an Rumänien wird bis heute von ungarischen Nationalisten als Schmach empfunden. Deshalb verlangen sie die Wiederangliederung der nach dem Ersten Weltkrieg an Rumänien abgetretenen Gebiete. Im Trianon-Vertrag von 1920 wurde das Territorium Ungarns festgeschrieben. Infolge dieses Vertrags hatte Ungarn zwei Drittel seines beanspruchten Staatsgebiets und etwa die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. Daraus entspringt die Forderung nationalistischer Organisationen, die "Schande von Trianon" zu tilgen.

Eine dieser Organisationen ist auch die "Ungarische Garde", die der paramilitärische Flügel der ultranationalistischen "Bewegung für ein rechtes und besseres Ungarn" (Jobbik) ist. Die rechtsextremistische Jobbik wurde 2003 von Jungakademikern gegründet. Ihr Chef ist der 29-jährige Gábor Vona, dem die Wiederherstellung Großungarns vorschwebt.

Dieses revisionistische Anliegen verbindet sämtliche rechtsextreme ungarische Gruppen, Parteien und Verbände wie die Partei der Ungarischen Wahrheit und des Lebens (MIÉP), die 1998 den Sprung ins Parlament schaffte und die regierende rechtskonservative Fidesz des damaligen Premiers Viktor Orbán unterstützte. Jobbik und MIÉP schlossen 2006 ein Bündnis und beteiligten sich mit einer gemeinsamen Liste des "Dritten Weges" an den Wahlen, verpassten aber den Einzug ins Parlament.

Ende Juli gründete Jobbik-Chef Vona die "Ungarische Garde", was in Rumänien und der Slowakei für Aufregung sorgte. Auch die jüdischen Gemeinden Ungarns äußerten sich bestürzt. In einer öffentlichen Stellungnahme ist die Rede von "Vorbereitungen zur bewaffneten Gewalt" und der "Gefährdung" des "ungarischen Judentums". Zudem wird daran erinnert, dass im vergangenen Herbst bei den gewalttätigen Demonstrationen gegen die sozialdemokratische Regierung vor allem Rechtsradikale beteiligt waren, die antisemitische Parolen skandierten.

Nationalistische Extremisten waren bei der Stürmung des Gebäudes des öffentlich-rechtlichen ungarischen Fernsehens am 19. September 2006 beteiligt, bei den Ausschreitungen anlässlich der Revolutionsfeiern am 23. Oktober 2006 sowie an den Randalen am Jahrestag der 1848er-Revolution am 15. März 2007. Bei den Protesten gegen die Homoparade im vergangenen Juli waren Árpád-Fahnen schwingende Jobbik-Leute erneut als besonders grob aufgefallen.

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