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Ungarn: Mehrparteienkonzept

■ Sozialistische Arbeiterpartei Ungarns veröffentlicht Grundsatzpapier für Mehrparteienwahl 1990 „Vereinigung sozialdemokratischer und kommunistischer Werte“ / Auflösung der Militärbündnisse

Budapest (afp) - Die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (USAP) will sich zu einer sozialistischen Partei entwickeln, die „sozialdemokratische und kommunistische Werte in sich vereint“. Dies geht aus einem Manifest der USAP hervor, das am Samstag im Hinblick auf den Kongreß am 7. Oktober zur Vorbereitung der ersten Mehrparteienwahlen 1990 veröffentlicht wurde. Oberstes Ziel der USAP sei „ein friedlicher und allmählicher Übergang zum demokratischen Sozialismus“, hieß es in dem Manifest, das im Parteiorgan Nepszabadsag abgedruckt wurde. Die USAP sprach sich darin auch für die Auflösung von Nato und Warschauer Pakt aus und kündigte eine freiere Wirtschaftspolitik an. „Ungarn wird ein Verfassungsstaat mit Mehrparteiensystem. Die Macht geht von der Bevölkerung aus, die ihren Willen in freien Wahlen zum Ausdruck bringt“, erklärte die Partei weiter. Die USAP distanziere sich von jeglicher Form des Stalinismus und wolle „eine sozialistische Partei werden und mit anderen Parteien in Konkurrenz treten“. Die USAP werde die Wahlergebnisse akzeptieren, wolle aber ihr bestes tun, um einen größtmöglichen Einfluß in der Regierung zu behalten.

Die neue USAP solle „sozialistisch, populistisch, reformerisch, demokratisch, national und zukunftsorientiert“ sein. Als außenpolitisches Ziel gab die ungarische Regierungspartei ein „unabhängiges Ungarn“ an, für das jedoch „die Beziehungen mit der Sowjetunion ein fundamentales Element der Außenpolitik“ bleiben sollte. Im Rahmen einer allgemeinen Abrüstung sollten Nato und Warschauer Pakt sich gleichzeitig auflösen und alle ausländischen Truppen aus Europa abgezogen werden, unter anderem die sowjetischen aus Ungarn, hieß es in dem Grundsatzpapier weiter. In Ungarn solle eine „Marktwirtschaft“ mit verschiedenen Formen des Eigentums eingeführt werden: Staatseigentum, Eigentum von Kooperativen, ausländisches Eigentum und „kleines Privateigentum“. Staatliche Subventionen sollen gestrichen werden. Außer durch Arbeit könne Geld auch durch Kapital und Unternehmerprofit verdient werden. Das Bildungsmonopol des Staates solle aufgehoben, das Gesundheitswesen reformiert werden. Künftig solle denjenigen, die eine bessere medizinische Versorgung wünschen, der Abschluß einer freiwilligen Zusatzversicherung möglich sein. Die USAP kündigte eine neue und reformierte Sozialpolitik an, ohne Einzelheiten zu nennen.

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