Unfaire Wahlen in Russland: Kein Büro für Putin
Die Wahl Medwedjews zum Präsidenten ist nach Ansicht von Beobachtern nicht fair verlaufen. Merkel hofft trotzdem auf Modernisierung unter dem Putin-Nachfolger.
MOSKAU taz Den ersten Gang als neu gewählter russischer Präsident absolvierte Dmitri Medwedjew noch am späten Sonntagabend in Begleitung seines Mentors und künftigen Premierministers Wladimir Putin. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert vom Kreml über den leeren Roten Platz tat sich Medwedjew noch schwer, mit dem ausholenden Tritt des durchtrainierten Kremlchefs im Schneegestöber Schritt zu halten. Zwei Fußlängen fiel er immer wieder zurück. Die jungen Leute der Kreml-Jugendorganisationen empfingen den Nachrücker freundlich. Der stürmische Applaus galt indes noch immer Putin, der sich für Vertrauen und Wahlbeteiligung bedankte.
Nach Mitternacht trat Medwedjew dann erstmals allein vor die Presse. Er gab sich entschlossen, als man ihn fragte, ob Putin im Kreml ein Büro behalten werde und wer demnächst für die Außenpolitik zuständig sei. Das sei die einfachste Frage des Abends, meinte der Jurist: "Laut Verfassung bestimmt der Präsident die Außenpolitik. So viel zum Ersten. Zweitens: Das Büro des Präsidenten befindet sich im Kreml." Der Ort der Regierung sei das Weiße Haus. Vorsichtig blickte er zur Seite, ein kurzes Flackern huschte über seine Augen.
Medwedjew betonte auch, dass es keine Umverteilung der Vollmachten zwischen Präsident und Premierminister geben werde. Niemand beabsichtige, in die Verfassung einzugreifen. Die Arbeit im Tandem mit Putin "wird dem Land interessante Ergebnisse bescheren und bei der Entwicklung des Staates ein positiver Faktor sein", sagte Medwedjew. Nicht nur im kritischen Teil der Öffentlichkeit wurden Zweifel laut, ob die Konstruktion einer Doppelspitze in der russischen Tradition überhaupt von Dauer sein könne. Medwedjew und Putin setzen im Moment alles daran, um derartige Bedenken zu zerstreuen.
Nach der Auszählung der Zentralen Wahlkommission stimmten 70,21 Prozent für Medwedjew, der damit mehr Wählerzuspruch erhielt als Putin bei den Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren. Einen Achtungserfolg erzielte Kommunistenchef Sjuganow, der mit rund 18 Prozent auf Platz zwei landete. Wladimir Schirinowski von den nationalistischen Liberaldemokraten kam auf rund 10 Prozent. Während die KP überlegt, das Ergebnis gerichtlich anzufechten, meinte Schirinowski: "Bei unseren Gerichten ist das doch sinnlos."
Landesweit berichten unabhängige Beobachter von haarsträubenden Manipulationen und Erpressungen. Die eher unfreundlichen und unpolitischen Moskauer beklagten sich in Geschäften und Märkten unverhohlen über die Art und Weise, wie sie zur Stimmenabgabe durch Arbeitgeber genötigt wurden. Diese Empörung ist ein Novum bei Wahlen.
Kritik an den Wahlen formulierte auch Andreas Gross, Beobachter des Europarats. "Die Wahlergebnisse spiegeln den Wählerwillen wider, aber das demokratische Potenzial wurde nicht voll verwirklicht." Es seien zahlreiche Hinweise eingegangen, wie von offizieller Seite versucht worden sei, das gewünschte Ergebnis durch Ausüben von Druck zu erzielen.
Die russische Wahlkommission reagierte erbost. Die Beobachter seien nicht in der Lage, die Wahlen richtig zu bewerten. Herr Gross habe seine "Stellungnahme unter dem Einfluss westlicher Medien formuliert, die er vor seiner Ankunft in Russland gelesen hat".
Auf eine Modernisierung Russlands unter Medwedjew und auf eine engere Zusammenarbeit setzt indes die Bundesregierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei bereit, Medwedjew bei der angekündigten Stärkung des russischen Rechtsstaates nach Kräften zu unterstützen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Beide wollten sich so schnell wie möglich treffen. Dann werde Merkel auch die Kritik der Regierung an den Umständen der Wahl zur Sprache bringen.
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