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Archiv-Artikel

Unfähigkeit der Historiker

betr.: „Keine Chance für Feuilletonisten“ von Grit Eggerichs,taz vom 6. 11. 03

Schön, dass ihr euch einmal mit der berühmt-berüchtigten Unfähigkeit der Historiker auseinander setzt, nicht nur keinen Gedanken zu haben, sondern auch noch unfähig zu sein, diesen auszudrücken. Das habe ich während meines Studiums leidvoll erfahren müssen, und das wusste auch schon Karl Kraus, der eine Zeit lang die Kaffeehäuser und Feuilletons mit jenem Friedell unsicher machte, der mit Vornamen dann doch nicht Georg, sondern eigentlich lieber Egon hieß, welcher Letztgenannter aber ob solcher orthographischer Kleinigkeiten bestimmt leidlich wenig Aufhebens gemacht hätte, weil eben jener Egon, der vor seiner freiwilligen Christianisierung übrigens Friedmann (!) hieß, schon in der Selbstanzeige zu seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“ fürtrefflich bemerkte, dass es sein „… unverbrüchliches Leitprinzip [sei], eine möglichst unwissenschaftliche Darstellung zu geben. Diese ideale Forderung habe ich nicht einen Augenblick aus den Augen verloren; sie überall restlos zu erfüllen, dürfte freilich die bescheidenen Kräfte eines Einzelnen übersteigen …

Der Nachweis aller einzelnen Ungenauigkeiten, Willkürlichkeiten und Entstellungen würde einen viel zu großen Raum in Anspruch nehmen, auch glaube ich diese Aufgabe getrost Beruferen überlassen zu dürfen …“ Und zwar genau jenen, liebe Grit, die es angehenden Magistranden der schöngeistigen Wissenschaften verwehren wollen, eine Abschlussarbeit über den „Feuilletonschmock“ Friedell zu schreiben, vermutlich, weil sie schon wissen, warum das nicht gut für ihre philiströs-inzestuöse Zunft sein kann (auch ohne dass sie Friedells „Angsttraum des Germanisten“ jemals gelesen hätten). Denn wenn einer einen oder gar gleich mehrere Gedanken hat und kein System, sondern stattdessen Geräumigkeit im Kopfe spazieren führt und diese auch noch auszudrücken vermag, ohne pflichtschuldig zu langweilen, dann gehört diesereiner selbstredend exkommuniziert – ex cathedra ad asperam! Ich empfehle Dir/Ihnen (man weiß es nicht) noch viele vergnügliche Friedell-Gutenachtlektüren, auf dass euer Blättchen wieder lesenswerter werde – Vom XII. Bezirk lernen heißt siegen lernen! […] MARKUS MÜLLER