Unesco stellt Dresden Ultimatum: Gnadenfrist für das Welterbe
Die im Bau befindliche Waldschlösschenbrücke in Dresden muss weg oder der Welterbetitel wird aberkannt. Bis 2009 läuft die Frist.
DRESDEN taz Das Welterbekomitee der Unesco hat auf seiner Jahrestagung im kanadischen Quebec dem Dresdner Elbtal nicht sofort den erst 2004 verliehenen Welterbetitel aberkannt. Dresden bleibt ein weiteres Jahr auf der "Roten Liste" der gefährdeten Objekte und kann den Titel dauerhaft erhalten, wenn in dieser Zeit der begonnene Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke gestoppt wird.
Die Großbrücke ist nach Auffassung des Komitees unvereinbar mit dem Charakter der Elblandschaft. Der Kompromiss eines Elbtunnels, für den ein Bürgerbegehren mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt hat, würde von der Unesco hingegen akzeptiert.
Ein Korrespondent des MDR erfuhr in Quebec von Francesco Bandarin, dem Chef des Welterbezentrums in Paris, Gründe für die Entscheidung. Demnach habe man den Aufschub nur gewährt, weil noch Gerichtsverfahren zur Brücke anhängig sind und sich Deutschland bislang als verlässlicher Welterbe-Partner erwiesen habe. Er könne nicht verstehen, so Bandarin, "warum Dresden den Titel unbedingt verlieren will".
Die von Brückenbefürwortern und der Sächsischen Staatsregierung angebotene leicht abgespeckte Brückenvariante lehnte die Unesco in der offenbar langen und emotionalen Diskussion ab.
Anhänger des Brückenbaus werteten die Entscheidung als ein Ultimatum. Die soeben gewählte neue Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) nannte sie "unverständlich und ungerechtfertigt". Sie bedeute faktisch eine Aberkennung des Titels, weil die Stadt unbedingt den Brückenbau fortführen werde. "Dresden bleibt Welterbestadt auch ohne Titel", sagte sie.
Nikolaus Köhler-Totzki vom ADAC Sachsen fordert die Stadt auf, den Titel von sich aus zurückzugeben. Die noch amtierende Stadtführung sieht sich in einem "großen Dilemma", so der in Quebec weilende Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU).
Der amtierende parteilose Oberbürgermeister Lutz Vogel kann keine Möglichkeit für einen Baustopp erkennen und fühlt sich an den Bürgerentscheid von 2005 gebunden, dem auch das Bundesverfassungsgericht Vorrang vor Welterbe-Belangen eingeräumt hatte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte hingegen die Unesco-Entscheidung. Damit sei noch einmal eine Chance zur Konsensfindung gegeben, für die sie sich als Moderatorin anbot. In ähnlichem Sinn äußerte sich Sachsens Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Der Bau solle vorerst gestoppt und eine Expertenkommission mit der Prüfung der Tunnelvariante beauftragt werden.
Bei Dresdner Welterbeschützern herrscht eine Mischung aus Genugtuung und Skepsis. Wie an jedem Montag wird es auch am kommenden Montag, dem 7. Juli, eine Demonstration geben. Das prominent besetzte Dresdner Welterbekuratorium hatte sich bereits zu Wochenbeginn resignierend selbst aufgelöst und seinen Auftrag an die Stadt zurückgegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin