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Undercover-RechercheEin Journalist als Hilfspolizist

Die Undercover-Recherche eines Fernsehautors im Pädophilenmilieu hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob Journalisten Kriminelle den Behörden melden dürfen.

Sensationsgier fördert ein Dilemma zwischen Journalismus und Bürgermoral. Bild: dpa

Ein Jahr lang ermittelte Laurent Richard vom Medienbüro Capa für das Enthüllungsmagazin "Les Infiltrés" wie ein Undercoverpolizist im Milieu von Pädophilen, die übers Internet nach Opfern suchen. Dabei spielte er selbst die Rolle eines an Sex mit Kindern interessierten Mannes. Richard schildert in seinem Film, wie zuwider es ihm war, als einer seiner Kontakte, ein Kanadier, der nach eigenen Angaben Hunderttausende von Kinderpornobildern und -videos besitzt und schon zehn Jahre im Gefängnis saß, sich mit Vergewaltigungen Minderjähriger brüstete und weitere ankündigte. "Am Tag danach habe ich die kanadische Polizei informiert", sagt Richard in seiner bei France 2 ausgestrahlten Reportage, die angesichts der aktuellen Missbrauchsdebatte in mehreren Ländern und nicht zuletzt wegen der eingesetzten Methoden zum Medienereignis wurde.

In anderen Fällen gab Richard sich als zwölfjährige Jessica aus, die sich mit älteren Männern zu Rendezvous verabredete. Obschon die mutmaßlichen Pädophilen bei späteren Treffen mit einem ausgewachsenen Journalisten konfrontiert waren, gaben einige von ihnen bereitwillig über ihre Neigungen Auskunft.

Auch die so erhaltenen Informationen gab der Journalist mit Zustimmung seines Arbeitgebers an die Polizei weiter. Aufgrund dieser Sendung wurden den Behörden insgesamt 22 mutmaßliche Pädophile "angezeigt, nicht denunziert", wie das Medienbüro klarstellte. Capa reagierte damit auf den Protest bekannter Medienvertreter in einem offenen Brief: "Wenn Reporter aus Gründen der Moral und nicht der Information in Hilfspolizisten verwandelt werden, entsteht eine Bresche, die zur Denunzierung führt."

Für die unterzeichnenden Journalisten ist das eine Grundsatzfrage ihrer Berufsethik. Sie haben das Recht und in bestimmten Fällen die Pflicht, ihre Quellen geheim zu halten, auch wenn diese gegen das Gesetz verstoßen haben. Der Unterschied zwischen einem Polizisten und Journalisten muss klar bleiben. Die Charta der französischen Presse verbietet es, "mit unloyalen Mitteln oder falschen Titeln und Funktionen die Gutgläubigkeit Dritter auszunutzen, um zu Informationen zu kommen", Aus Sensationsgier brachte sich Capa damit in ein Dilemma zwischen Journalismus und Bürgermoral.

Die meisten Zuschauer werden sich auf den Standpunkt stellen, dass im Kampf gegen Kinderschänder und Pädoporno jedes Mittel recht sei, auch Verstellung und Infiltration. "Man wird ja wohl nicht darauf verzichten, einen Vergewaltiger von Kindern zu denunzieren, nur weil man einen Presseausweis hat", argumentierte der Moderator von "Les Infiltrés", David Poujadas. Libération konterte: "Müssen wir künftig auch illegale Immigranten oder ETA-Mitglieder verpfeifen, wenn wir für Reportagen über Schwarzarbeit oder Terrorismus recherchieren?"

Das französische Gesetz besagt, dass, "wer auch immer Kenntnis von einem Verbrechen hat und die Justizbehörden nicht informiert", mit Geld- und Haftstrafen rechnen muss. Die journalistische Schweigepflicht ist eine gut begründete Ausnahme von dieser Regel. "Les Infiltrés" hat eine Reality-TV-Show daraus gemacht.

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7 Kommentare

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  • V
    virgin

    Für diesen Artikel fehlen mir echt die Worte..

     

    Hätte die TAZ diese Perversen einfach weitermachen lassen??

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wie sollte sonst die Watertgate-Affäre passieren? Kritischer Journalismus soll Missstände aufdecken, wenn das Ergebnis, ob jetzt Kinderpornografie oder Amtsmissbrauch, veröffentlicht oder angezeigt wird, ist das durchaus im Sinne der Pressefreiheit. Es darf allerdings kein Zwang dahinter stehe,. Es bleibt allerdings schwierig, wonach richtet der Journalist, wen er so zusagen straffrei ausgehen lässt, ist hiermit die Gewaltenteilung gefährdet? In der heutigen Zeit wird die Pressefreiheit des öfteren ad absurdum geführt und für jedwede Frechheit vorgezeigt, Hauptsache Sensationen. Dieser Art Journalismus wird dazu führen, dass das Prinzip der Pressefreiheit ausgehöhlt wird und abgeschafft werden muss. Also F-R-E-I-E Presse wehrt euch gegen solche Kollegen, die verbreiten sich schneller und unauffälliger als ihr schauen könnt.

  • M
    MAS

    @Brian: Anderer Fall - ähnliches Vorgehen: Einbrecher brechen in eine Wohnung ein, klauen den Rechner, finden auf selbigen KiPo´s, erstatten Anzeige und kommen Straffrei davon.

     

    Aber, um das klar zu stellen: Frau vom Leiden zeigte auf einer Pressekonferenz Websites mit KiPo´s und wurde dafür NICHT belangt. Es kommt eben auch in Deutschland darauf an, in welcher Partei man ist.

     

    Und: die meisten KiPo´s kursieren in Peer-to-Peer Netzwerken und eben nicht auf Websites (laut einer Studie von Interpol), womit das ganze "Websitesperrenprogramm", das sich die EU ausgedacht hat, doch wohl eher als Weg in die Diktatur darstellt, denn man kann dann auch Kritische Sites dicht machen.

  • O
    Onsom

    Verstehe das Problem nicht.

     

    Er muss dürfen, aber er darf nicht müssen! So, scheint doch auch die Rechtslage zu sein. Wozu die Aufregung?

  • Y
    york

    das ist vor allem saegen am eigenen ast. ob nun kindervergewaltiger oder freiheitskaempfer - wer wird in zukunft noch journalisten insider-wissen mitteilen, wenn hinterher die polizei vor der tuer steht? das konzept der gewaltenteilung ist gerade fuer die sogenannte 4. gewalt ueberlebensnotwendig.

  • SB
    Siegfried Bosch

    @Brian von Nazareth: Falsch. In §184 b) (5) steht schließlich: "Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen."

  • BV
    Brian von Nazareth

    Dieser Fall könnte in Deutschland doch gar nicht passieren, denn dort macht sich JEDER strafbar, der KiPos besitzt oder auf dem PC anschaut. Nach geltender Gesetzeslage wäre der Journalist sogar strafbar, wenn ihm Popups irgendwelche Bildchen auf den Rechner oder gar in seinen Cache unterjubeln.

    Welcher Journalist wäre dann so blöd, die Polizei einzuschalten?

    Im schlimmsten Fall verhaftet die dann ihn, statt der Kriminellen, weil das einfach einfacher ist.

     

    Wie weit selbsternannte Rächer kommen, kann man doch schon an 007 Tauss sehen, der ja lieber Exekutive statt Legislative spielen wollte.

    Tauss. The name is Jörg Tauss.

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