: Und dann kauften sich die „Genossen“ die taz...
■ Die Ergebnisse der ersten Generalversammlung der taz-Verlagsgenossenschaft am Samstag in Ost-Berlin
Welchen Wert haben die Gesellschafteranteile der taz-Firmen, die die neugegründete „taz — die tageszeitung — Verlagsgenossenschaft e.G.“ kaufen soll? Was sind die stillen Reserven? Die mehr als 300 Mitglieder der Genossenschaft, die am Samstag im Kongreßzentrum am Ostberliner Alexanderplatz zu ihrer ersten „Generalversammlung“ zusammengekommen waren, wollten es genau wissen. Nicht die „Ideologen“ entpuppten sich als Wortführer, sondern Steuerberater, Rechtsanwälte und Genossenschafts-Unternehmensberater.
Sie vertraten die inzwischen 2.500 Mitglieder der Genossenschaft, die mehr als vier Millionen Mark an Kapital für die taz aufgebracht haben. Der Geschäftsführer der taz, Karl-Heinz Ruch, mußte nach bohrenden Fragen darauf hinweisen, daß eine „Investition“ in die taz keine auf maximale Rendite ausgerichtete Geldanlage sein kann, sondern eher eine lanfristige medienpolitisch motivierte Investition ist.
In seiner gutachterlichen Stellungnahme hatte der Revisionsverband der Kunsumgenossenschaften erklärt, daß die wirtschaftliche Lage der taz-Tochtergesellschaften „angespannt“ sei und durch geringe Eigenkapital- und hohe Fremdkapitalquote gekennzeichnet sei. Die komplizierte Debatte stieß auf reges Interesse. Mit breiter Mehrheit wurde das Anliegen unterstützt, daß Belastungen der beiden Immobilien der taz nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen.
Nach einer Stunde beschlossen die Genossenschaftsmitglieder dann bei rund 15 Enthaltungen, die taz-Tochtergesellschaften für 360.000 Mark vom Verein Freunde der alternativen tageszeitung zu kaufen. Die Genossenschaft ihrerseits wird 1,3 Millionen Mark ihres Geldes für eine Kapitalerhöhung verwenden, die gleiche Summe fließt in Form eines Gesellschafterdarlehens in die taz.
Der am Tag zuvor von den Mitarbeitenden gewählte Vorstand der taz-Genossenschaft hatte vorher deutlich gemacht, daß die in den Betrieb fließenden Mittel für Investitionen verwendet werden sollen, die zu einer deutlichen Steigerung der verkauften Auflage führen sollen. Anstelle der derzeit verkauften 60.000 Exemplare müßten 70.000 oder 80.000 verkauft werden, hatte der Geschäftsführer erklärt, um die finanzielle Basis des Betriebes zu stabilisieren.
Die Wahl der drei Aufsichtsratsmitglieder demonstrierte das gewichtete Interesse der Mitglieder der Genossenschaft: An erster Stelle wurde der Berliner Professor für Politologie, Elmar Altvater, gewählt. Im zweiten Wahlgang kam der Steuerberater aus Hemmoor bei Cuxhaven, Gerd Schmücker, dazu. Er hat in Brasilien Genossenschaftserfahrungen gesammelt und ist als „stiller Gesellschafter“ bei der taz-Hamburg engagiert. Im dritten Wahlgang schließlich erhielt auch der Berliner Anwalt Johannes Eisenberg, neben Christian Ströbele Justitiar der taz und Mitautor der Genossenschaftssatzung, die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
In der taz-Verlagsgenossenschaft haben die mitarbeitenden Genossenschaftsmitglieder Sonderrechte: Sie wählen den „Vorstand“. Schon am Freitag hatten sie sich entschieden: für Michael Rediske, langjährigen Redakteur und als solcher für WORLD-MEDIA und Journale verantwortlich; für Rudolf von Bracken, Jurist aus Hamburg, und für Susanne Paas, frühere „Projekt- Managerin“ und inzwischen Kulturredakteurin im Bremer Lokalteil. Ihnen obliegt es, in der neuen Epoche der taz-Geschichte die Geschäftsführung zu kontrollieren und diese Zeitung auf sichere Beine zu stellen. Klaus Wolschner
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