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Unausgegorene Sparwut ist ärgerlich –betr.: „Ärzte proben den Aufstand“, taz vom 26. 5. 99

Vielleicht sollte sich Frau Gesundheitsministerin Fischer einmal fragen, ob sie nicht selbst erheblich zu den Mehrverordnungen beigetragen hat. Hat sie doch puplikumswirksam die Streichung vieler gängiger Medikamente als Kassenleistung zum 1. 4. d. J. angekündigt. Wer kann es den Rentnern verdenken, daß sie sich im März noch so viel davon verschreiben lassen, wie überhaupt möglich. Wer kann es dem mitleidsvollen Hausarzt verdenken, daß er seinen Patienten, deren enge finanzielle Lage er nur zu gut kennt, mit einem vorgezogenen Rezept ein wenig Erleichterung verschafft. Gerade die alten Menschen sind es, die auf ihre gewohnten Mittel kaum verzichten können.

[...] Für mich als Hausarzt ist die unausgegorene Sparwut doppelt ärgerlich. Sie bevormundet und verleidet einerseits eigene Sparansätze. Ich persönlich habe bislang mein Arzneimittelbudget erheblich unterschritten, auch wenn ich etliche dieser Medikamente verordne, die im April verboten wurden. Andererseits zwingt sie mir zeitaufwendige Diskussionen mit Patienten auf, die die Einschränkungen nicht einsehen können. Als Drittes kommt noch hinzu, daß nun diese Verordnung drei Tage später von einem Gericht für null und nichtig erklärt wurde. Ich „durfte“ meinen Patienten, denen ich vorher das Verbot erklären mußte, anschließend wieder klarmachen, daß ich ihr Medikament nun doch wieder zu Kassenlasten verordnen durfte.

Ich kann nur hoffen, daß die Patienten nicht an meinem Verstand zweifeln, sondern an dem der Verantwortlichen. Willi Hofmann, Arzt für Allgemeinmedizin, Berlin

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