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Archiv-Artikel

Unausgebildet ausgebeutet

Lehramts-Referendare sollen ab Februar zwölf Stunden pro Woche allein unterrichten. Das sei Missbrauch billiger Arbeitskräfte, befinden GEW und Lehrerverband

Das ging im allgemeinen Gewusel der Sparmaßnahmen bisher unter: Auch für Hamburgs Lehramts-Referendare verschlechtert sich die Lage. Sie sollen ab 1. Februar ein Jahr lang zwölf Stunden pro Woche allein vor der Klasse stehen – und damit 42 fehlende Lehrer ersetzen. So war es bereits in dem im Juni aufgeflogenen Geheimpapier „Entwicklung des Lehrerstellenplans 2004–2008“ zu lesen. Und so wird es auch umgesetzt, wie nun Mitarbeiter des Staatlichen Studienseminars berichten. „Die werden total ausgelutscht“, befürchtet eine Ausbilderin.

Den so genannten „bedarfsdeckenden Unterricht“ gibt es in Hamburg seit 1996, er wurde von der damaligen SPD-Regierung eingeführt. Seither stand der Lehrernachwuchs sechs Stunden pro Woche vor der Klasse und hospitierte, sechs weitere Stunden wurde an den Schulen gelernt. In der offiziellen Kammervorlage für eine neue Ausbildungsrichtline, die am 22. Oktober von der Deputation verabschiedet werden soll, ist verwirrenderweise lediglich die Rede von einer Erhöhung auf „durchschnittlich acht Stunden pro Woche“.

Doch diese Zahlen beziehen sich auf die alte, zweijährige Referendariatszeit. Inzwischen wurde unter Schwarz-Schill das bezahlte Referendariat auf 18 Monate komprimiert. Weil der Lehrernachwuchs direkt von den Schulleitungen in den Stundenplan einbezogen werden soll, beginnt der Einsatz am Pult nach einer dreimonatigen Vorbereitungsphase zum neuen Schulhalbjahr am 1. Februar und zum zweiten Mal nach den Sommerferien. Aus drei mal acht Stunden werden deshalb zwei mal zwölf.

„Das ist nicht zu verantworten. Bezieht man Konferenzen, Wege, Vor- und Nachbereitung mit ein, müssen die für knapp 1.000 Euro schuften wie auf einer halben Stelle“, warnt nun ein Ausbilder. „Und dabei kommen die frisch von der Uni und sind einfach noch nicht ausgebildet dafür.“ Zudem sei geplant, den Anteil der Veranstaltungen am Studienseminar zeitlich zu halbieren und die Ausbilder zum „Coaching“ an die Schulen zu schicken. „Mehr als schnell mal Rezepte rüberreichen“ sei da nicht drin.

„Dieser Einsatz der Referendare ist Ausbeutung statt Ausbildung“, befindet Arno Becker vom Deutschen Lehrerverband. „Hier werden Referendare als billige Arbeitskräfte missbraucht“, kritisiert auch GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm. „Nichts gegen eigenverantwortlichen Unterricht. Aber der muss von Mentoren in der Klasse begleitet werden.“

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) hatte hingegegen kürzlich nach Veröffentlichung der OECD-Lehrerstudie erklärt, Hamburg müsse seine Lehrer „schneller, praxisnäher und effektiver“ ausbilden und sei schon „auf dem Weg“ dorthin. Kaija Kutter