■ Umzugsgesetz: Kein Royal Flush
Einmal mehr wurden gestern die Karten zur „Bundeshauptstadt Berlin“ neu gemischt. Die Parlamentarier billigten den gesetzlichen Rahmen, mit dem es quasi in die nächste Umzugsrunde gehen soll. Das Spiel behält zwei Könige. Zurück am Rhein bleiben Ministerien, Geld für Ausgleichsmaßnahmen, sogar neue Bundesbehörden kommen hinzu. Berlin erhält den Rest. Dabei wurde der Einsatz im Pokerspiel um Neubauten kräftig gesenkt. Da bleibt nicht viel, ist aber besser als gar nichts. Weniger gewiß ist die genaue Ankunftszeit von Regierung und Parlament an der Spree. Da ist noch viel Luft drin. In die Euphorie über das endlich geschaffene Gesetz und den langen Abschied vom Provisorium Bonn mischt sich die bittere Erinnerung, daß beim Umzugspoker beinahe alles falsch gemacht wurde. Es begann mit halbherzigen „Beschlüssen“ am 20. Juni 1991. Die politischen Illusionisten träumten sich 1995 nach Berlin. Planungen für ganze Regierungsviertel im Jahr 2000 wurden über die Reißbretter gehetzt. Die Superlativen aus Rekordsummen und Idealstädten überschlugen sich. Die falschen Strickmuster dieser Entscheidungen kosteten unendlich viel Zeit und Geld. Heute sind wir ärmer – aber auch schlauer? Wohl kaum. Nicht die maßlosen Ansprüche hat die Hauptstadtlobbyisten desillusioniert, sondern die Realität. Und die Flausen sind noch nicht aus dem Kopf: Ein Zentralbahnhof, das Kanzleramt, der Transrapid und Tunneldurchstiche beleben nach wie vor die Phantasien, obwohl diese schon heute Millionengräber sind. Ein wenig hat der Haushaltsausschuß versucht, der möglichen Prasserei einen Riegel vorzuschieben, indem er alle Neubaumaßnahmen „gesondert bewilligen“ will. Doch es ist schwer, Planungsfetischisten endgültig an die Kette zu legen. Rolf Lautenschläger
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