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Umzug des Verteidigungsministeriums"Die Dynamischen sind fort"

Das Verteidigungsministerium könnte komplett von Bonn nach Berlin umziehen. Man müsse die Gelegenheit nutzen, sagt Ex-Staatssekretär Geiger.

Die Musik spielt in Berlin, das Verteidigungsministerium ist aber noch immer in Bonn. Bild: dpa
Ulrike Winkelmann
Interview von Ulrike Winkelmann

taz: Herr Geiger, offenbar will Verteidigungsminister Thomas de Maizière die Verkleinerung seines Hauses mit dessen Umzug von Bonn nach Berlin verbinden. Personalräte und rheinische Politiker protestieren bereits. Haben Sie als Ministeriums-Umzugsprofi einen Tipp für de Maizière?

Hans-Jörg Geiger: Die Verkleinerung der Bundeswehr und des Ministeriums ist natürlich eine besondere Gelegenheit auch für solch einen Umzug. Wichtig ist es jetzt, sich zu überlegen: Was brauche ich überhaupt in einem Ministerium, also in meiner Nähe - sprich in Berlin? Welche Aufgaben sind dagegen nicht zwingend ministeriabel, könnten also auch von einer oberen Bundesbehörde erledigt werden? Als ich damals das Justizministerium von Bonn nach Berlin holte, habe ich in Bonn das Bundesjustizamt errichtet, in dem ebenso viele hochrangige Beamte sitzen wie zuvor im Ministerium.

Die Bonnlobby ist demnach ruhigzustellen, wenn genau so viele gut bezahlte Beamte bleiben wie zuvor, nur unter einem anderen Behördentitel?

Bild: AP
Im Interview: Hansjörg Geiger

(68) war 1998 bis 2005 Staatssekretär im Bundesjustizministerium und organisierte den Komplettumzug des Hauses von Bonn nach Berlin. Bis 1998 war er BND-Präsident.

Ja. Das muss natürlich in engster Abstimmung mit dem Oberbürgermeister, den örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten und allen sonstigen Betroffenen geschehen. Es darf kein Überraschungseffekt entstehen, und es muss für die Stadt Bonn kostenneutral sein. Auch all die menschlichen Probleme der Beamten, die keinen Umzug nach Berlin wollen, sind lösbar.

Im Unterschied zum von Ihnen organisierten Umzug damals können aber jetzt keinesfalls gleich viele Beamte in Bonn bleiben, wenn das Ministerium insgesamt verkleinert wird.

Bei einer Verkleinerung zeigt sich aber ein besonderer Vorteil des Verteidigungsministeriums: Viele Bundeswehrangehörige werden in der Regel ohnehin alle paar Jahre versetzt. Auch im Ministerium sind viele Soldaten beschäftigt. Wenn diese Soldaten aus dem Ministerium zur Truppe zurückversetzt werden, ist dies keine Degradierung, sondern der ganz normale Weg.

Ist es der Bevölkerung zwanzig Jahre nach dem Beschluss, der Berlin zur Hauptstadt machte, überhaupt noch vermittelbar, dass große Teile der Ministerien in Bonn sitzen?

Der Masse der Bevölkerung wird das nicht präsent sein. Insofern ist die aktuelle Debatte ein guter Anlass, zu überlegen: Wie würde der Bürger entscheiden, wenn er vom derzeitigen Ausmaß und den Kosten der Aufteilung zwischen Bonn und Berlin wüsste? Die Bundesregierung muss sich jetzt fragen: Ist wirklich jede Stelle in den Ministerien wichtig, oder hat sich seit 1949 vielleicht auch etwas in den Häusern angestaut, was nicht mehr in einem Ministerium angesiedelt sein müsste?

Die Debatte über den Hauptstadtstandort scheint gleichwohl am Rhein immer noch die Gemüter zu erhitzen - wenn man in die Presse schaut …

Doch haben viele Bonner Ministeriale ja inzwischen gespürt, dass die Musik ganz woanders spielt. Sie haben Anfang der 90er Jahre nicht ihre Besitzstandswahrung, sondern tatsächlich das Zurückgelassenwerden gewählt. Die dynamischeren, jüngeren Leute sind fort, sind in Berlin. Das hat sich natürlich auf die Atmosphäre in Bonn ausgewirkt.

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2 Kommentare

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  • M
    MyWay

    Ich schließe mich meinem Vorposter Holländer an.

    Die Kanzlerin sollte ansonsten endlich Airbus und Daimler schließen.

     

    In Köln/Bonn wohnt das selbe Prenzlauer Berg Beamten-Klientel wie in Berlin - nur halt ein paar Jahrzehnte älter und in Bonn mit etwas weniger, in Köln mit etwas mehr Flausen im Kopf. Die Greenpeace-Aktivisten legen heute nicht mehr mit großem Getöse und der Rainbow Warrior am Bonner Bundesviertel an - richtig. Aber die Verlagerung der PR-Aktivitäten als Zweiklassenintelligenz umzudeuten, verlangt schon sehr viel Phantasie. Die ein oder andere Maßnahme in Bonn ist sicher diskutabel. Aber die Diskussion wird zu oft mit Halbwahrheiten geführt.

     

    Bei der letzten großen AKW-Demo hatte Bonn ein Drittel der Teilnehmer des zeitgleich stattfindenden Berliner Protestzuges bei nur 10 Prozent der Einwohnerzahl der Hauptstadt". Und das ist bei anderen Gegebenheiten schon häufiger genauso gewesen. Weil mans in Berlin nicht liest, heißt das noch lange nicht, dass es nicht so ist. Manchmal schicken die jungen, dynamischen Leute in Berlin nämlich einfach keine Pressemitteilungen raus, weil man dann am Kollwitzplatz bei Latte Macchiato über das Feindbild Bonn schöner lästern kann. Dann lesen es die Meyers, Müllers & Geigers in Berlin und dem Rest der Republik nicht.

     

    Man kann in Berlin zudem auch sehr viel Dynamik haben und es bewegt sich noch weniger als jemals in Bonn. Ich hab da so meine Erfahrungen gemacht.

     

    Die jungen dynamischen Leute sind meist nur Karrieristen, deren verständnisvolles, hübsches Gesicht sich genauso von einer Minute auf die andere in ein Wolfsgesicht verwandelt, wie zu allen Zeiten der Bonner Republik. Die meisten besitzen nur ein paar organisatorisch-technische Fähigkeiten - mehr nicht. Die hätten ihnen vor 1945 jederzeit einen tollen Propagandafilm über deutsche Gefangenenlager produzieren können. Oder heute halt einen medial beachtete Integrationsveranstaltung. Doof nur, wenn die Teilnehmer mit Migrationshintergrund bei so viel Dynamik nicht selten monatelang besonders dynamisch hungern müssen. Manchmal hatte ich an der Spree zugegeben das Gefühl, dass ich mich in einer bundesdeutschen Rückverdummungsphase befinde.

  • H
    Holländer

    Gibt es irgendeinen größeren Betrieb, dass nur einen Hauptgebäude hat und keine Zweigstellen? Warum wird immer behauptet, dass alle Ministerien in Berlin ansiedeln optimal wäre?

     

    Wenn man einen kleinerer Bewerberpool hat, nur Leute die in Berlin wohnen oder bereit sind dahin zu ziehen, muss man für die gleiche Qualität mehr Gehalt zahlen. Wenn man nur in Berlin hockt, hat man weniger Kontakt zu der Rest der Republik. Und so weiter. Ich glaube nicht, dass alle größeren Betrieben zu blöd sind und nicht wissen was sie machen.