Umweltminister Gabriel legt sich fest: "Gorleben ist als Endlager tot"
Der ehemalige Salzstock ist als Endlager gescheitert. AKW-Gegner befürchten leere Wahlkampfversprechen und rufen deshalb zu einer Großdemonstration in Berlin auf.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat den Endlagerstandort Gorleben als "tot für ein Endlager" erklärt. Die Regierung Kohl habe 1983 Sicherheitsbedenken der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) mit einer politischen Weisung beiseite geschoben. Unter diesen Bedingungen könne man Gorleben nicht weiter erkunden. Auch eine Enteignung der Eigentümer des Gorlebener Salzes, mit denen das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) 2015 auslaufende Mietverträge abgeschlossen hat, müsse von Union und FDP erst einmal durchgesetzt werden.
Der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, reagierte gestern erfreut und zugleich ein wenig überrascht auf die klaren Worte des Bundesumweltministers. Gabriel habe stets gefordert, "dass Gorleben im Topf der möglichen Endlagerstandorte bleiben muss", erinnerte er. Die BI schreibe alles sorgfältig auf, was Gabriel im Wahlkampf zu Gorleben sage, um ihn danach beim Wort nehmen zu können.
Die Gorleben-Debatte gibt der Anti-AKW-Bewegung schon jetzt neuen Schwung: Die Initiatoren des Anti-Atom-Trecks nach Berlin erwarten am 5. September inzwischen "die bislang größte Anti-AKW-Demonstration" in der Bundeshauptstadt. Wie Ehmke gestern in Hannover sagte, sind für den Protestzug vom Berliner Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor Busse mit Demonstranten aus mehr als hundert Städten angemeldet.
Zudem werden drei Sonderzüge AKW-Gegner zur Demo für den Ausstieg und gegen Laufzeitverlängerungen bringen. Parteivertreter werden dort im Vorfeld der Bundestagswahl nicht zu Wort kommen. Sie seien allerdings als Demoteilnehmer willkommen.
Die wendländische Bäuerliche Notgemeinschaft will mit 150 bis 200 Landwirten mit Traktoren beim Protest in der Hauptstadt dabei sein. Gut 30 Landwirte mit Treckern werden sich begleitet von Radfahrern oder auch AKW-Gegnern in Wohnmobilen schon kommenden Samstag auf den Weg von Gorleben nach Berlin machen. Ihr Vorbild ist der Gorleben-Treck, der vor 30 Jahren aus dem Wendland nach Hannover startete und dort am Ende von 100.000 Demonstranten begrüßt wurde.
Den wendländischen Bauern geht es bei ihrem Treck vor allem um das Endlager, das damals vom nuklearen Entsorgungszentrum Gorleben übrig blieb. Der Konvoi von 30 Treckern hat denn auch eine Endlagertour vor sich: Er wird über das einsturzgefährdete Atommülllager Asse, die gerade im Endlagerausbau befindliche Eisenerzgrube Konrad in Salzgitter und über Morsleben nach Berlin tuckern. Die Bauern wollen dort auch "für den Atomausstieg und den Ausbau erneuerbarer Energien unübersehbar Druck machen", wie Landwirt Hans-Werner Zachow betonte.
Nach den Worten Ehmkes hat die neuerliche Debatte um das Endlager Gorleben den Organisatoren des Trecks "richtig Auftrieb" gegeben. Der BI-Sprecher hatte vor einigen Tagen im Bundesamt für Strahlenschutz die verschiedenen Entwürfe eingesehen, die die PTB im Jahr 1983 für das Gutachten gefertigt hatte, das für die Erkundung des Salzstock den Ausschlag gab.
Dabei fand Ehmke nach eigenen Angaben klare Belege für politischen Druck auf die Gutachter von Seiten der damaligen Kohl-Regierung, über den die taz, gestützt auf persönliche Erinnerungen des Hauptgutachters, bereits im April berichtet hatte. Die PTB hielt den Salzstock seinerzeit zunächst nur geeignet für ein Endlager für schwach- und mittelaktiven Müll und empfahl, auch andere Standort zu untersuchen. Nach politischer Intervention der Bundesregierung hätten die Wissenschaftler den Salzstock schließlich als uneingeschränkt "eignungshöffig" bezeichnet, so Ehmke. Dieser Kompromissbegriff sei dann später auch von Rot-Grün im Atomkonsens übernommen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid