■ Umweltminister Frieder Jelen macht sich unbeliebt: Alles Inzucht auf Rügen?
Schwerin/Bergen (taz) – Frieder Jelen (CDU) hat nach schlechter alter Politikerart den Grund gefunden, weshalb er gerade heftig kritisiert wird. Der Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns, ansonsten Theologe, vermutet „eine gesteuerte Kampagne“ gegen sich selbst. Wer diese Anti-Jelen-Kampagne steuert, kann sogar benannt werden: Er heißt Frieder Jelen und ist der Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns.
Dem einst auf der Insel Rügen als Pfarrer wirkenden Mann mit etwas schlichtem Gemüt unterlief ein geradezu verhängnisvolles Fernsehinterview für den Südwestfunk. Den Gottesmann muß der Teufel geritten haben, als er im Dezember den Schwaben ein paar vermeintliche Wahrheiten über die Menschen der Insel Rügen erzählte: Diese seien „etwas weniger geistig geformt“, weil sie doch Jahrhunderte so „hart als Fischer und Bauern“ hätten arbeiten müssen. Jelen, anscheinend von allen guten Geistern verlassen, reichte es nicht aus, seine Wähler nur als geistig zurückgeblieben zu charakterisieren. Es hätte außerdem „hier (auf Rügen) viel Inzucht“ gegeben. Gott sei Dank sei „seit 1900 mit den Urlaubern der Berliner Intelligenz auch frisches Blut“ auf Deutschlands größte Insel gekommen.
Hobby-Ethnologe Jelen hat nicht nur die oppositionelle SPD auf den Plan gerufen, deren Landtagsabgeordneter Till Backhaus die Mecklenburger und Vorpommeraner mit den nicht ganz so wissenschaftlichen Erkenntnissen des Ministers bekannt machte. Selbst die Christdemokraten, die das Land sowieso schon nach der Devise regieren „Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter“, bescheinigten ihrem Minister, daß er „wenig Gespür im Umgang mit den Einheimischen“ hätte und damit noch mehr Wähler verprellen würde.
Frieder Jelen reagierte u.a. mit einem Inserat in der Silvesterausgabe der Ostsee-Zeitung (Rostock), worin er sich zunächst ent- und dann wiederum die Leser beschuldigte, sie hätten „ihn falsch verstanden“. Statt für „geistig weniger geformt“ hätte er die Rüganer als „wirklich nur sympathisch“ dargestellt. Nachdem er somit indirekt sagte, daß Dummheit sympathisch macht, versucht er auf seine selten tolpatschige Art abzuwiegeln. Er würde auch „viele Rüganer als wertvolle und intelligente Menschen“ schätzen. Mit denen wäre er eng verbunden und würde mit ihnen erfolgreich arbeiten.
Das wird sich herausstellen. Der wackere Gottesmann wird mit ziemlicher Sicherheit bei der in der nächsten Landtagswahl erfolgten Abwahl wieder auf die Insel zurückmüssen. Nachdem er schon jetzt bewiesen hat, welche Schwierigkeiten er mit Menschen und deren Umwelt hat, sollte er sich das allerdings gründlich überlegen. Falk Madeja
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