piwik no script img

Umweltfreundliche Zotteltiere

■ Pflegeleicht und allesfressend: Galloway-Rinder haben viele Vorteile

Sie sehen nicht nur knuddelig aus, sie sind auch pflegeleicht und vor allem gut für die Pflanzenvielfalt der Weidefläche. Besonders dieser Aspekt veranlaßte vor einem guten Jahrzehnt zahlreiche Umweltverbände und Bio-Bauern, Galloway-Rinder oder die verwandten Highlands auf brachliegenden Flächen weiden zu lassen. Da ihr Fleisch zudem besser schmeckt als das ihrer schwarzgescheckten deutschen Verwandten, stiegen immer mehr Bauern auf diese Rindersorte um. Jetzt geraten die zotteligen Schotten völlig unschuldig mit in den Rinderwahnsinns-Strudel.

Wenn Andreas Gentz von seinen Galloway-Kühen redet, gerät er richtig ins Schwärmen. „Leichter“ und „graziler“ als die Schwarzbunten seien sie, mit „fabelhaftem Beinwerk“. Die Tiere werden selten krank, kalben problemlos, brauchen nicht gemolken zu werden, da das Kalb die ganze Milch trinkt, und sie stehen das ganze Jahr draußen auf der Wiese. Ihr wichtigster Vorteil aber: Anders als die wählerischen Schwarzbunten fressen sie auch bei Kühen unbeliebtere Pflanzen wie Binsen oder Sauergräser.

Der Umweltverband „Landwege e.V.“, dem Gentz angehört, hält daher zwölf Galloways als „Landschaftspflegeherde“ im Raum Lübeck. Meist sind es brachliegende Wiesen, überdüngt, zugewuchert und sonst kaum noch zu verwenden, auf die die anspruchslosen Rinder getrieben werden.

„Die Vielfalt auf diesen Weiden verschwindet, weil schnellwüchsige Arten wie Brennesseln oder Disteln andere Arten verdrängen“, erläutert Gentz. Schwarzbunte fressen sorgfältig um diese Pflanzen herum, langsamwüchsige Pflanzenarten werden überwuchert und sterben aus. Galloways verputzen dagegen gleichmäßig alles, was ihnen zwischen die Zähne kommt, ihr geringes Gewicht schont zudem die Grasnarbe. Und: die schottischen Rinder produzieren weniger Gülle als ihre deutschen Verwandten. „Eine Schwarzbunte ist eine Dünger-Einheit, ein Galloway-Rind eine halbe“, erklärt Gentz. Wichtig sei, daß höchstens ein Tier pro Hektar auf der Wiese grast.

All diese Vorteile führen dazu, daß besonders auf mageren Böden in wenigen Jahren die Zahl der Pflanzenarten erhöht werde, argumentieren die Mitglieder des Umweltverbandes. Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben: „Das ist kein englischer Rasen, da wächst jetzt alles“, sagt der Hamburger Landwirt Wilhelm Bott über die Weide, auf der seine Herde steht. Wie viele Bauern, die sich im Galloway-Verband zusammengeschlossen haben, hält er die Tiere vor allem wegen des schmackhaften Fleisches, das auf dem Markt doppelt so viel bringt wie das der Schwarzbunten; die Umweltidee ist dabei ein willkommener Nebenaspekt.

Durch das BSE-Virus sind allerdings auch die Preise für Galloway-Rinder jetzt in den Keller gegangen. Völlig zu Unrecht, findet Bott. Seit zehn Jahren züchte er seine eigenen Rinder, nur noch zwei Tiere – beide 15 Jahre alt – stammen aus Schottland. Da sich die britischen Rinder das Virus über Fleischreste in der Kraftnahrung geholt haben, Galloways aber meist ganzjährig auf der Weide stehen, ist gerade bei ihnen eine Infektion besonders unwahrscheinlich.

Die besorgten Konsumenten kümmern sich allerdings wenig um Wahrscheinlichkeiten: „Wenn die Leute einen englischen Namen wie Galloway hören“, so Bott, „dann denken sie auch an Rinderwahnsinn.“ Einige seiner Kollegen überlegen daher, ob sie nicht wieder auf Schwarzbunte umsteigen sollten, da man diese Sorte auch als Milchkuh verwenden kann. Für die Weideflächen wäre das allerdings eine botanische Katastrophe.

Umweltschützer Andreas Gentz kann den sinkenden Preisen dagegen auch etwas Positives abgewinnen. „Wenn die Bauern für Galloway-Fleisch zu viel Geld kriegen, wird die Versuchung groß, die Tiere schwerer zu züchten und damit aber die weidefreundlichen Eigenschaften zu beseitigen“, argumentiert er.

Seit dem Importverbot 1989 seien ohnehin schon die Zuchtbedingungen gefährlich gelockert worden. „Wenn man jetzt einen Galloway-Bullen auf eine Schwarzgescheckte schickt, ist bereits das Kalb in der dritten Generation laut Herdbuch eine reinrassige Galloway-Kuh“, beklagt er – auch wenn sie schwer, wählerisch und kränklich ist. „Durch diese unseligen Verdrängungskreuzungen wird die Rasse kaputtgemacht.“ Und damit könnte wieder einmal eine Umweltidee der Gewinn-Maximierung zum Opfer fallen.

Katja Schümann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen