Umwelt: VW wird grün
Das Passat-Werk in Emden will langfristig CO2-frei arbeiten. Dazu wird jetzt ein Energiewald aus Pappeln und Weiden gepflanzt. Der Stadt passt das gut ins Konzept: Sie hegt ähnliche Ambitionen.
Das VW-Werk in Emden will Brennstoff zum Heizen künftig selbst anbauen. In den nächsten Monaten werden auf dem Fabrikgelände in Ostfriesland 500.000 schnell wachsende Bäume wie Pappeln und Weiden gepflanzt. Sie sollen Hackschnitzel für Heiz(kraft)werke in der Region liefern. Das VW-Werk entlastet damit seine CO2-Bilanz und geht einen weiteren Schritt in Richtung klimaneutrale Fabrik. "Das passt super in unser Konzept", sagt Rainer Kinzel, Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung der Stadt. Denn auch Emden versucht sich beim Klimaschutz zu profilieren.
Der Energiewald auf einer Fläche von 32 Hektar ist Teil eines Bündels von Projekten, die die Fabrik zumindest rechnerisch CO2-frei machen sollen. "Das ist das hohe Ziel, das wir uns setzen", sagt Werkssprecher Georg Göricke. VW stellt Dächer für Photovoltaik-Anlagen und Standorte für Windräder zur Verfügung. In Planung ist auch eine Biogasanlage und mit einem Beleuchtungskonzept will die Werksleitung Energie besser nutzen.
Die Energieerzeugung überlässt VW Spezialisten, so auch den Energiewald: Der wird von der Mainzer Firma Wald 21 und deren Partner, dem ostfriesischen Landwirt Lehnhard Fleßner gepflanzt und betreut. VW wird entweder für die Nutzung seines Fabrikgeländes bezahlt oder am Ernteertrag beteiligt. Außerdem sollen die Emissionsrechte für das eingesparte CO2 an VW fallen. Das ist für VW vor dem Hintergrund des europäischen Emissionshandels interessant.
Emden ist mit 50.000 Einwohnern die einzige kreisfreie Stadt Ostfrieslands; sie hat einen Seehafen.
Das VW-Werk verbraucht ungefähr soviel Energie wie die Stadt. Es stellt die meisten Industrie-Arbeitsplätze in der Region. 8.900 von 27.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Emden arbeiten bei VW.
Werft und Wind: Vor wenigen Tagen haben die Nordseewerke Emden ihr letztes Containerschiff vom Stapel gelassen. Künftig sollen sie Teile von Offshore-Windkraftanlagen herstellen. Mit Bard und Enercon haben sich große Windrad-Hersteller in der Stadt niedergelassen.
Der Energiewald funktioniert nach dem Muster, mit dem in alter Zeit Weidenruten für Flechtkörbe gewonnen wurden. Alle drei bis fünf Jahre werden die Triebe maschinell gekappt und zu Hackschnitzeln verarbeitet; der Strunk bleibt als Basis für neue Triebe stehen.
Der Anbau einer solchen "Kurzumtriebsplantage" ist billig, weil sich die Bäume einen großen Teil der Zeit, selbst überlassen bleiben können. Es werde nur wenig Dünger und nur im ersten Jahr Unkrautvernichtungsmittel benötigt, sagt Wolfram Kudlich, Chef von Wald 21. Seine Plantagen pflanzt er auf Brachen.
Mit Energieholz lassen sich nach Angaben des Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik der Bundesregierung pro Hektar mehr als zwölf Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden, die sonst durch fossile Brennstoffe freigesetzt würden. Biodiesel oder Bioethanol aus Raps oder Mais vermeiden nur drei Tonnen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die ganze Pflanze und nicht nur die Frucht verwertet wird. Zudem sind die Vermeidungskosten nach Angaben des Sachverständigenrats für Umweltfragen um ein Vielfaches geringer.
"Energieholzplantagen erbringen hohe Erträge und hohe Treibhausgaseinsparungen bei geringen Kosten", schlussfolgert Nabu-Präsident Olaf Tschimpke in einem Gutachten seines Verbandes. Kurzumtriebsplantagen seien umweltfreundlicher als intensiver Ackerbau, weil weniger Chemikalien eingesetzt würden und weniger darin gearbeitet werde. In Streifen angepflanzt, könnten sie ausgeräumte Ackerbaugebiete bereichern.
Kudlich träumt für ganz Ostfriesland von insgesamt 500 Hektar Energiewald in drei bis vier Jahren. Mit dem Wald von VW seien es 100 Hektar. Sie versetzten ihn in die Lage "ein Angebot für die Region zu machen". Ziel sei es, Partnerschaften aus Kleinkraftwerksbetreibern und Energiebauern aufzubauen und regionale Kreisläufe zu starten.
In Emden findet er dafür gute Bedingungen. Die Stadt sei "selbst sehr aktiv bei der Nutzung erneuerbarer Energien", sagt Kinzel. Mehr als 30 Prozent ihrer Wege legten die Emdener mit dem Fahrrad zurück. Die Windräder im Stadtgebiet reichten aus, die Stadt selbst und halb VW zu versorgen. Die Stadtwerke hätten das Biomasseheizkraftwerk gebaut, das jetzt VW mit Wärme versorge.
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