Umwelt-Aktionen: Kopfschütteln für das Klima

Ob gezielter Massenkonsum oder stille Technoparade: Am Wochenende gehörte Berlin-Mitte den AktivistInnen. Sie forderten gleich auf mehreren Veranstaltungen entschlossenes Handeln von der Politik.

Tanzende Menschenmassen mit Kopfhörern, aber ohne laute Musik, 350 Merkel-Masken vor dem Brandenburger Tor und ein ganztägiger Kaufrausch in einem Bioimbiss: Berlin-Mitte ist am vergangenen Sonnabend von Klimaschützern heimgesucht worden.

Das Ganze war Teil eines vom Klimaschutz-Netzwerk 350.org initiierten Aktionstages mit mehr als 5.000 Aktivitäten in 182 Ländern. Ziel war es, die laut 350.org "wichtigste Zahl der Welt" im öffentlichen Bewusstsein zu verankern: Auf 350 Millionstel beziffern Wissenschaftler den für die Erde maximal verträglichen Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre.

Am mit Abstand meisten Aufsehen erregte die nach Veranstalterangaben weltweit erste "Silent Climate Parade" zwischen Potsdamer Platz und Alex: Zahlreiche Passanten blieben mit offenen Mündern und ungläubigem Lächeln stehen, als 350 Raver vorbeitanzten - die dazugehörige Musik konnte nur hören, wer sich vorher einen Funkkopfhörer ausgeliehen hatte. "Der Klimawandel ist ein unsichtbares, schleichendes Problem, das man weder sieht noch hört. Deshalb haben wir uns für eine lautlose Parade entschieden, um auf dieses Problem hinzuweisen", erklärte Mitorganisator Daniel Boese. Elektronisch waren dabei sowohl die Musik als auch der Antrieb des Autos, auf dessen Ladefläche Love-Parade-Gründer Doktor Motte und DJ Dirty Doering ihre Mischpulte aufgebaut hatten. "Die Soundanlage wird komplett aus Batterien versorgt, die vorher mit Solarstrom aufgeladen wurden. Wir wollen damit zeigen, dass man auch auf eine emissionsfreie Art Hightech-Spaß haben kann", so Boese weiter.

Spaß haben die feiernden DemonstrantInnen am Samstagnachmittag ganz offensichtlich: "Es ist zwar nicht wie um vier Uhr morgens im Berghain, aber laut genug, um sich zu bewegen", meint einer, der sich als "Turbo" vorstellt. Eine Gruppe junger US-Amerikaner am Straßenrand beobachtet das Spektakel und ist zunächst verwirrt von dem immer wieder aufbrandenden Gekreische: "Gibt dazu jemand ein Signal über die Kopfhörer?", fragt einer. Tatsächlich hat der DJ gerade einen neuen Beat angespielt. Auch ohne diesen zu hören, ist Touristin Rafke Keller aus Holland angetan, nachdem sie einen der ausgeteilten Flyer gelesen hat: "Das wirkt alles sehr fröhlich!"

Nur weniges kann für Unmut inmitten der unbeschwerten Parade sorgen: Unter den Linden buht der Zug gemeinschaftlich den Ferrari-Händler aus, an dem er vorbeizieht. Und als sich Promotion-Mitarbeiter eines Energieunternehmens unters Volk mischen, um gelbe Sonnenräder aus Plastik zu verteilen, verkündet eine Durchsage: "Das ist kein atomfreier Stromanbieter, also bitte nehmt die Firmenlogos ab!" Am Straßenrand sind die Tanzenden inzwischen dazu übergegangen, den staunenden Zuschauern ihre Kopfhörer zum Probehören aufzusetzen.

Überhaupt bekamen die Touristen im Regierungsviertel an diesem Samstag einiges geboten: Bereits am Vormittag hatte die Aktionsgruppe Klimapiraten auf dem Pariser Platz mittels einer öffentlichen Quizshow die "Klimakanzlerin" zu küren versucht. 350 mit Merkel-Masken ausgestattete Darsteller flüstern einem Double der Kanzlerin Botschaften für und wider eine ambitionierte Klimaschutzpolitik zu. Doch Merkel kann sich nicht so recht entscheiden - die Auszeichnung als oberste Klimaschützerin bleibt ihr deshalb verwehrt. "Angela Merkel neigt unserem Eindruck nach dazu, sich nicht festzulegen", erläuterte Klimapirat Johannes Krause die Aktion gegenüber der taz. Die Zeit des Jein-Sagens sei aber vorbei, Merkel müsse im Dezember persönlich zum Klimagipfel nach Kopenhagen reisen, um dort für ein ehrgeiziges Klimaschutzabkommen einzutreten.

Nicht nur kreativ traten die Klimaaktivisten am Wochenende auf, auch infrastrukturell waren sie bestens aufgestellt: Die Initiative Carrotmob hatte für einen Imbiss in der Rosa-Luxemburg-Straße geworben, da dieser versprach, 45 Prozent des Tagesumsatzes in energiesparende Maßnahmen zu stecken. Zahlreich strömten die Aktivisten den ganzen Tag über in das Lokal, über 1.000 Euro kann der Inhaber nun unter anderem für neue Kühlschränke ausgeben.

Seinen Abschluss fand der Klima-Aktionstag wiederum auf der Tanzfläche, diesmal allerdings in einem gewöhnlichen Club: Mit 350 ausgeteilten Taucherbrillen und Schnorcheln und dem Motto "Wir saufen ab!" stand die Party im Zeichen des Anstiegs der Meeresspiegel. Um dem entgegenzuwirken, dienten die Eintrittsgelder dem Kauf von Zertifikaten, die ansonsten Unternehmen zum Ausstoß von Kohlendioxid berechtigen.

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