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Umgang mit der Euro-Krise"Merkel nimmt Parlament nicht ernst"

Die Regierung informiert den Bundestag nur unzulänglich über die Europa-Krise. Das beklagt der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Das ist in anderen Ländern besser.

"Die Regierung informiert die Abgeordneten nur unzulänglich über zentrale Entscheidungen", sagt Sven Giegold. Bild: dapd
Ulrich Schulte
Interview von Ulrich Schulte

taz: Herr Giegold, viele Parlamentarier klagen, dass der Bundestag bei der Europa-Krise außen vor bleibt. Zu Recht?

Sven Giegold: Ich verstehe und teile diese Kritik. Die deutsche Regierung macht es dem Bundestag sehr schwer, seine Haushaltsverantwortung und sein Mitspracherecht wahrzunehmen. Kanzlerin Merkel nimmt die Parlamentarier nicht ernst.

Wie kommen Sie darauf? Das Parlament hat den Rettungsschirm beschlossen, es wird sich im September wieder damit befassen.

Die Regierung informiert die Abgeordneten nur unzulänglich über zentrale Entscheidungen. Sämtliche Dokumente der Euro-Gruppe - das Gremium, in denen die Staaten ihre Wirtschaftspolitik koordinieren - stehen unter Geheimhaltung, die Abgeordneten haben keinen Zugang zu ihnen.

Die Euro-Gruppe tagt informell. Warum sollte das Parlament Einblick bekommen?

Bild: dpa
Im Interview: SVEN GIEGOLD

41, ist seit 2009 Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament und finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er ist Attac-Mitgründer.

Die Grundlage wirklicher Kontrolle ist Dokumenteneinsicht, nur sie befähigt die Parlamentarier, sich ein Urteil zu bilden. Es reicht nicht, wenn sich der Finanzminister oder sein Staatssekretär kurz in den Europaausschuss setzt, und mündlich ein paar Fragen beantwortet. In Deutschland handelt die Regierung in einer Logik internationaler Geheimdiplomatie, dabei geht es hier um europäische Innenpolitik. Gleichzeitig ist der Bundestag selbst an seiner Machtlosigkeit schuld. Er könnte sich problemlos Zugriff verschaffen, er müsste nur das EU-Informationsgesetz ändern. Doch das verhindern die Fraktionen von Union und FDP.

Wie sieht die Parlamentsbeteiligung anderswo aus?

Europa im Bundestag

Parlamentssitzung: Der Bundestag wird sich im September erneut mit der Europa-Krise befassen. Dann muss das Parlament Beschlüsse prüfen, die die EU-Staatschefs im Juli vereinbart hatten.

Gipfelbeschlüsse: Auf ihrem Krisengipfel verabredeten die Regierungschefs mehrere Maßnahmen. So soll etwa der EU-Rettungsschirm mit neuen Befugnissen ausgestattet werden. Zum Beispiel soll er in Zukunft präventiv Staatsanleihen überschuldeter Länder aufkaufen dürfen.

In Skandinavien agieren Regierungen viel transparenter. In Finnland haben beispielsweise die zuständigen Ausschüsse Zugang zu den nötigen Papieren. Die Parlamentarier sind umfassend informiert und geben ihrer Regierung vor Krisengipfeln genau definierte Handlungsmandate mit auf den Weg.

Ist das hilfreich? Hätte die schwarz-gelbe Mehrheit Kanzlerin Merkel ein Mandat vor dem letzten Brüssel-Gipfel gegeben, wäre die wichtige Neuausrichtung des Rettungsschirms verhindert worden.

Da haben Sie leider Recht. Viele Abgeordnete von FDP und Union argumentieren verbohrt aus einer rein nationalen Sicht heraus. Wenn FDP-Generalsekretär Lindner jetzt schon wieder Euro-Bonds, also gemeinsame Staatsanleihen, kategorisch ausschließt, ist das unverantwortlich. Lindner denkt nicht europäisch, sondern in Schlagzeilen der Bild-Zeitung.

Europapolitik ist also immer parteipolitischen Egoismen unterworfen?

Ich bin mir sicher: Wenn der Bundestag mehr Informationen und Rechte bekäme, würden Abgeordnete anders Verantwortung übernehmen. In Dänemark gelingt das aus demokratischer Sicht seit über zehn Jahren sehr gut, selbst wenn mir die Positionen nicht unbedingt gefallen. Weil die Mitbestimmung gut geregelt ist, legt das Land viel weniger Vetos bei europäischen Entscheidungen ein als Deutschland. Sicher ist aber auch: Perspektivisch kann eine schlüssige Wirtschaftspolitik nur eine demokratisch legitimierte europäische Wirtschaftsunion betreiben, die nicht so strak von nationalen Regierungen und ihren dort wahlzyklisch getriebenen Stimmungen abhängig ist.

Ist eine Krise nicht per se undemokratisch, weil ein kleiner Kreis von Akteuren schnell entscheiden muss?

Krisen sind die Stunde der Exekutive. Wegen des Informationsgefälles, das nicht ganz aufzuheben ist, und wegen der Notwendigkeit, schnell zu handeln. Die deutsche Regierung hält aber nichtmals Minimalstandards der Beteiligung ein.

Der deutsche Europa-Diskurs wirkt vor allem angstbesetzt. Warum ist das so?

Ich glaube, die deutsche Bevölkerung erkennt durchaus den Wert Europas. Eine Gruppe von Akteuren schürt aber gezielt Ängste - das sind Wirtschaftswissenschaftler, Teile der Wirtschafts- und Boulevardpresse bis hin zu FDP- oder Unionsabgeordneten. Diese Anhänger marktliberaler Theorien glauben, Europa könne funktionieren, wenn die Staaten ihre Schulden in den Griff bekommen, die Märkte abersonst frei gewähren lassen. Sie begreifen nicht, dass es sich hier um eine Überschuldungskrise handelt, die auch durch massive Fehlinvestitionen des privaten Sektors entstanden ist. Diese falsch verstandene ordoliberale Theorie vergiftet die deutsche Öffentlichkeit. Und sie führt dazu, dass der größte und wichtigste Staat das europäische Projekt gefährdet.

In Umfragen spricht sich regelmäßig die Mehrheit der Bürger dagegen aus, immer mehr Steuergeld für die Europa-Rettung auszugeben. Ist das nur das Ergebnis von Propaganda?

Nein, solche Reaktionen sind absolut verständlich, weil die Bürger sich ärgern, finanziell für die Fehler anderer in Haftung genommen zu werden. Aber in Deutschland herrscht keine antieuropäische Stimmung. In den Umfragen wünschen sich die Menschen ein Europa, das effektiv zusammenarbeitet, das mit einer Stimme spricht, und für seine Werte international eintritt. Deshalb ist es derzeit progressiv und bürgerlich zu gleich, zu verhindern, dass aus dieser Krise eine autoritäre Renationalisierung wird.

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5 Kommentare

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  • TF
    Thomas Fluhr

    Wenn der Gute Herr sich da mal nicht täuscht, wenn die demokratische Mitbestimmung schon nicht auf nationaler Ebene funktioniert, wie soll das erst werden, wenn auf europäischer Ebene Entscheidungen gefällt werden. Ich wünsche mir kein Europa, dass mit einer (wessen?) Stimme spricht, sondern ein Europa, dass von den Millionen Stimmen seiner Bürger getragen ist. Nicht nur von einpaar gut bezahlten Ohrenflüsterer. Also Politiker macht eure Aufgabe fordert Akteneinsicht, damit ihr mit entscheiden und nicht nur mit laufen könnt.

  • M
    michaelGR

    Was ist denn der langfristige Inhalt des

    EU-Projektes?

    Noch weniger undemokratisch legitimierte

    politischer Vertreter herrschen über einen

    Kontinent, diktieren uns Ihre Vorstellungen

    von Gerechtigkeit und regieren

    mit Ihren Kommissionen aus käuflichen Fachleuten,

    Fanatikern und Verbänden.

    Wir wollen diese Art von Projekten nicht!

    Wir wurden nicht gefragt und wir werden nur

    zum Bezahlen gebraucht.

    Hunderte Milliarden Euro sind durch falsche

    Subventionsförderung und schlechte Öffentlichkeitsarbeit vergeudet worden.

    Unser Wille zählt überhaupt nichts.

    Die EU darf keine Prediktaturen innerhalb

    der EU-staaten dulden, nicht durch riskante Förderung von Bauvorhaben die Überschuldung provozieren,

    darf keine Transferunion aufbauen und keine

    Sicherheitslöcher innerhalb der EU aufreißen.

    Sie darf die Patentierung von Leben nicht erlauben.

    Und sie darf auch nicht die Finanzhoheit über

    die Einzelstaaten haben!

    Anderenfalls gehört sie abgeschafft! Dann gibt es eben eine fixe Idee für gutbetuchte

    Beamte weniger!

    Die Regierungschefs können die Verantwortung

    für die dort ausgehandelten Lösungen nicht

    ohne Anhörung des Parlaments repräsentativ ausführen. Die Regierungschefs dürfen nicht

    das Parlament entmachten.

    Allerdings muß die Qualität der Parlamentsdiskussionen

    in Deutschland mehr sachlich erörternd, als

    lobbygetrieben, pathetisch sein.

  • V
    Volksverdummung

    .

    1. Der "Europa-Grüne" wirbt herzerfrischend und ohne Sachverstand für eine Zentralregierung in Brüssel, wobei er glatt unterschlägt, dass das EUROPA-Parlament kaum mehr ist, als eine Versammlung von privilegierten Diskutanten; das Europaparlament ähnelt vom Prinzip her eher einem Meinungsbarometer, an dem sich die PR-Abteilungen der EU-Kommission orientieren können, als einer Lobbyversammlung der Bürger! Es besitzt noch nicht einmal ein INITIATIVRECHT für die EU-Gesetzgebung!

    .

    "Attac-Mitglied"? Nicht zu glauben...

    .

    Unfassbar, diese Chuzpe! Einerseits verteufelt Herr Giegold die legitimen u. verfassungsrechtlich privilegierten Volksvertretungen wie den "Deutschen Bundestag" als "national" und "rückwärtsgewandt", andererseits hält er es offenbar für notwendig, dass sich die Bürger darin fügen, für ANDERE, Staaten, Banken oder "N.N.", zu haften und zu zahlen!

    Giegold unterschlägt die ADRESSEN, an die tatsächlich gezahlt werden soll: die "ALTERNATIVLOSEN FINANZKRAKEN", die IHRE WETTSCHULDEN glattstellen müssen...!

    .

     

    2. WAS BEDEUTEN EURO-BONDS?

    .

    Die Auflage von Euro-Bonds WÜRDE (!) bedeuten, dass DIE BÜRGER und die gewählten VOLKSVERTRETUNGEN der EU-Mitgliedsstaaten, deren Staaten zugleich Mitglied der so genannten Euro-Gruppe sind (bitte unterscheiden...!), KEINE MÖGLICHKEIT einer parlamentarischen oder sonstigen Kontrolle über Ihre FINANZVERFASSUNG mehr hätten!

    .

    Die Auflage von EURO-BONDS würde bedeuten, dass sich auch DER BUNDESTAG seines LETZTEN FAKTISCHEN RECHTES beraubt, dass er NOCH theoretisch besitzt: Das BUDGET- und HAUSHALTSRECHT!

    .

    Die vorrangige Bedienung (!) europäischer VERBINDLICHKEITEN, die mittels Euro-Bonds eingegangen würden, würde SOGAR (!) die Möglichkeit ausschliessen, dass sich ein Mitgliedsstaat nach dem Vorbild ARGENTINIENS für zahlungsunfähig erklären könnte! Selbst Griechenlanf KÖNNTE diesen Weg -theoretisch- immer noch legal gehen! Faktisch ist Griechenland EU-PROTEKTORAT, oder besser: TESTGELÄNDE für die AUSPLÜNDERUNG EINES STAATSWESENS und seiner Bürger, mit politischem FLANKENSCHUTZ der griechischen Parteien und der EU-Mitgliedsstaaten!

    .

    In den konzipierten EURO-Bonds, die die EU-UTOPISTEN wie Giegold (Handlanger!) in völliger VERKENNUNG der realen, kausalen Interessen -das Interesse der Grossgläubiger- propagieren, müssen sich ALLE SCHULDNERSTAATEN einer ZWANGSVOLLSTRECKUNGSKLAUSEL unterwerfen, die im Falle eines Zahlungsverzugs eine UNMITTELBARE VOLLSTRECKUNG (ohne weiteren Rechtsweg) ermöglicht!

    Ein VERHANDELN mit GLÄUBIGERN über Rückzahlungsquoten ist dann AUSGESCHLOSSEN! Dann rangiert die RÜCKZAHLUNG der EUROSCHULDEN vor den Bedürfnissen der nationalen Haushalte! Dann bekommen WIR ALLE (!) unser Griechenland !

    .

     

    3. • "Krisen sind die Stunde der Exekutive" (Zitat Giegold).

    .

    Diesen Satz wird man IMMER von denen hören, die an den STELLSCHRAUBEN eines SYSTEMS rütteln!

    In der KRISE fällt die Maske!

    Giegold-Zitat: "Perspektivisch kann eine schlüssige Wirtschaftspolitik nur eine demokratisch legitimierte europäische Wirtschaftsunion betreiben, die nicht so strak von nationalen Regierungen.....abhängig ist." - Inhaltloses GEREDE!

    .

    Es fehlt ein einziger nachvollziehbarer Satz, WAS eine "schlüssige Wirtschaftspolitik" ausmachen sollte!

    ( Die EU-Wirtschaftspolitik ist bereits jetzt der TÜRÖFFNER für die legislativen Wünsche und Begehrlichkeiten der KONZERNE ("Amflora" lässt grüssen)! )

     

    .

    HESSE

    .

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Im geheimen Exekutivedunkel ist gut rechte, neoliberale, ordoliberale, monetaristische Arbeitgeberwirtschaftspolitik, vor allem die Vorgaben "von ganz oben" dazu, zu machen.

     

    Die Akkummulation von Besitz und Kapital, wobei einige Pleiten, Pech du Panne , riesige Fehlinvestionen in Kauf genommen werden, schreitet eben schneller voran.

    Verlust werden gerne auf Neulinge, Kleine und vor allem die Staaten abgewälzt. nach wie vor.

     

    Die Zinsen für die Krise fehlen und die Verlust auch.

    Ein Parlament mit einer schwarz-gelben Mehrheit wird Frau Merkels "Kreise" kaum stören können.

    Diese wird im Verein mit den anderen europäischen konservativen Mehrheiten ziemlich brutal ausgenutzt.

    Zum Nachdenken für nicht nur GRÜNE Wähler (CDU -Koalitionäre und Finanzmarktderegulierer) und Wahlenthalter.

  • RR
    Rudolph Rene

    Nein .. die deutsche Bevölkerung hat keine Lust mehr auf den ganzen Volksverdummungsquatsch.

    Die Grünen wollen eine europ. Wirtschaftsregierung und Eurobonds.

    Lasst euch nicht für dumm verkaufen.

    Wir müssen uns wehren.

    Raus aus dem Euro.

    Gegen die Versklavung des Volkes.

    Gegen diesen Wahnsinn.

    Gegen diesen Politik Lobbyismus.

    MfG - Rudolph Rene - ¡Echte Demokratie Jetzt!

    Partei der Vernunft