Umfrage zu Studiengebühren in NRW: 0,4 Promille Aussagekraft
Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart wirbt für die Akzeptanz von Studiengebühren - mit einer Schmalspurumfrage.
Es war sein Tag. Andreas Pinkwart (FDP) präsentierte am Montag stolz eine Studie über die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen. In dem Papier steht, dass es keine Hinweise für die missbräuchliche Verwendung der Gebühren in NRW gibt. Die Untersuchung machten der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und das Deutsche Studentenwerk, das als Gebührengegner gilt. Pinkwart hat die Studie praktischerweise selbst in Auftrag gegeben.
Allerdings geht den Kritikern der Campusmaut sowohl Pinkwarts Gehabe als auch die Machart der Studie auf die Nerven. Die Studie stehe auf "tönernen Füßen", sagt etwa Karl Schultheiß, hochschulpolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Aus der Befragung von 0,04 Prozent der Studierenden könne kein ausgewogenes Meinungsbild gewonnen werden.
Tatsächlich ist die Datenbasis der Studie dünn: Zwar antworteten Vertreter von 28 der 29 angeschriebenen Hochschulverwaltungen. Die Meinung der Studierenden selbst dagegen war kaum gefragt. Von studentischer Seite verzeichnet die Studie 161 Rückläufe von Studierendenvertretern, also Fachschaftsmitgliedern, Fakultätsräten, Senatoren. In Nordrhein-Westfalens sind aber satte 461.000 StudentInnen eingeschrieben.
Auch das studentische Aktionsbündnis gegen Studiengebühren klagt, dass die Untersuchung alles andere als repräsentativ ist. "Selbst wenn landesweit 161 Fachschaften gehört wurden - allein meine Uni in Köln hat über 100", klagt etwa Patrick Schnepper, Koordinator des Landes-Asten-Treffens NRW. Die Ergebnisse der Studie deckten sich nicht mit den Erfahrungen der Masse der Studierenden. Die sehen, dass Gebühren zum Neubau von Hörsälen statt zur Verbesserung der Lehre genutzt würden, kritisiert etwa die grüne Landtagsabgeordnete Ruth Seidl.
Selbst die wenigen befragten studentischen Vertreter sparen nicht mit Kritik. Ein Drittel gibt an, die Studiengebühren würden "zur Kompensation reduzierter öffentlicher Mittel" genutzt. Über 15 Prozent sprechen von Zweckentfremdung. Und über 12 Prozent können wegen Intransparenz schlicht nicht sagen, wohin das Geld der Studierenden geht. Im Jahr 2007 nahmen die Unis über 250 Millionen Euro aus den Unigebühren ein.
Selbst einige Hochschulen räumen ein, dass sie mit Hilfe der Studiengebühren finanzielle Engpässe ausgleichen. "Auf der einen Seite haben die Hochschulen weniger Geld - auf der anderen bekommen sie Studiengebühren", warnte der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Volker Ronge, Ende 2007. "Klar, dass da was kompensiert wird."
Der Großteil der Unis und Fachhochschulen gibt dagegen an, die Millionen der Studierenden würden für mehr Lehrpersonal, für Tutorenprogramme, für die "Verbesserung der technischen Ausstattung" oder längere Öffnungszeiten oder verbesserte Ausstattung der Bibliotheken verwendet. Studierendenvertreter rechnen allerdings Bibliotheken zur Grundausstattung jeder Hochschule.
Wissenschaftsminister Pinkwart hat seine Studierenden auch nicht in zahlende Kunden verwandeln können. Eine Beschwerdestelle gegen die missbräuchliche Verwendung von Studiengebühren gibt es an keiner einzigen Hochschule in NRW. "Eine durchgängige Kundenorientierung seitens der Hochschulen muss sich noch weiter entwickeln", steht in der Studie.
Mittlerweile scheint auch Pinkwart Zweifel an den von ihm eingeführten Gebühren zu haben. Eine Erhöhung der bisher auf maximal 500 Euro pro Semester gedeckelten Beiträge lehnt der stellvertretende NRW-Ministerpräsident ab - und wirbt für mehr Konkurrenz unter den Hochschulen: Schließlich verlange die Universität Münster nur 275 Euro.
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