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Umfrage unter StudentenGestresst, aber glücklich

Der neue "Studierendensurvey" liefert Einblicke in deutsche Hochschulen. Überfordert fühlen sich noch immer viele Studenten - doch ist bei weitem nicht alles schlecht.

Dozenten bekamen gute Noten: Das legt auch dieser gut gefüllte Hörsaal in Aachen nahe. Bild: dpa

BERLIN taz | Jeder zweite Studierende macht sich Sorgen, ob er oder sie das Studium bewältigen kann. Besonders die Bachelorstudenten klagen über zu hohe Anforderungen - zwei Drittel fühlen sich im Studium überfordert. Das geht aus dem 11. Studierendensurvey hervor, der am Dienstag in Berlin vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgestellt wurde.

Mit 42 Prozent bilden die Bachelor-Studenten nun die größte Gruppe an den Universitäten, an den Fachhochschulen stellen sie sogar 79 Prozent. Die Befragung wurde von der Universität Konstanz im Wintersemester 2009/2010 an 25 Universitäten und Fachhochschulen durchgeführt. Knapp 7600 Fragebögen wurden für den Studierendensurvey ausgewertet.

Jeder zweite Studierende an einer Universität und knapp 40 Prozent der Fachhochschulstudenten klagen über zu hohe Leistungsanforderungen. Die Studierenden monierten vor allem, dass im Studium zu viel Wert auf den Erwerb von Faktenwissen gelegt werde, erläutert einer der Autoren, Michael Ramm von der Universität Konstanz. "Hauptknackpunkt sind zu viele Einzelprüfungen."

Ebenso vermissten die Studierenden in den meisten Fächern klare Prüfungsvorgaben. Die einzelnen Kurse und Module, meist eine Vorlesung im Verbund mit einer Übung, seien überdies zeitlich schlecht aufeinander abgestimmt, referiert Ramm die Erfahrungen der Befragten. "Unter diesen Rahmenvorgaben fällt es schwer, Studium und Prüfungen zu bewältigen."

Die zeitlichen Anforderungen seien gegenüber früher nicht gestiegen, hält Thomas Rachel, Staatssekreträr unter Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) dagegen. Allerdings gerate ein hoher Anteil im Laufe des Studium in Zeitverzug. Das Studium besonders schnell zu absolvieren, sei allerdings nicht mehr so wichtig wie früher, ein gutes Examen habe eine höhere Priorität.

Qualitätspakt Lehre

Insgesamt bewerteten die Studierenden die Studienqualität außerordentlich gut. Die inhaltliche Qualität und die Durchführung der Veranstaltung, sowie die Dozenten selbst, erhielten gute Noten. Zwei Drittel der Studierenden sehen sich fachlich sehr gut gefördert, wünschten sich allerdings mehr Praxisbezüge und Beratung.

Die Bundesregierung möchte mit dem Qualitätspakt Lehre, das im vergangenen Sommer beschlossen wurde, rund zwei Milliarden Euro in die Hochschulen investieren, um eine intensivere Betreuung der Studierenden zu ermöglichen. Als "Mini-Programm" bezeichnete Kai Gehrnig, Hochschulexperte der Grünen-Fraktion im Bundestag, diese Maßnahme. "Jetzt rächt sich, dass Ministerin Schavan die soziale Dimension der Bologna-Reform ignoriert statt die soziale Infrastruktur an den Hochschulen zu stärken."

Wie der Studierendensurvey zeigt, blieb der Anteil der sogenannten "Bildungsaufsteiger", Studierenden mit Eltern ohne Hochschulabschluss, seit 2000 nahezu konstant. Während an Universitäten 42 Prozent der Studierenden "Bildungsaufsteiger" sind, sind es an Fachhochschulen 60 Prozent. Bei der Finanzierung des Studiums spielt die soziale Herkunft offenbar ebenfalls eine große Rolle. Fast jeder zweite Studierende an einer Universität und gut ein Drittel der Studierenden an Fachhochschulen finanziert das Studium hauptsächlich durch die Eltern.

Ein geringerer Teil bestreitet das Studium über BAföG oder durch eigene Arbeit in den Semesterferien oder im Semester. Meist kombinieren die Studierenden mehrere Finanzierungsquellen. Drei Viertel gaben an, ihr Studium zum Teil oder hauptsächlich durch eigene Arbeit zu finanzieren. Dadurch verlängert sich das Studium zusätzlich.

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8 Kommentare

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  • M
    Matthias

    "Die zeitlichen Anforderungen seien gegenüber früher nicht gestiegen, hält Thomas Rachel, Staatssekreträr unter Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) dagegen. Allerdings gerate ein hoher Anteil im Laufe des Studium in Zeitverzug."

     

    Der Zeitverzug hat natürlich überhaupt nichts mit gestiegenen Anforderungen zu tun, sondern ist ausschließlich auf die Faulheit der StudentInnen zurückzuführen. [/ironie]

  • W
    werkor

    Was bitte ist den ein "Studierendensurvey".

    Das ist ja wohl als Bezeichnung an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ...

  • G
    Gert

    42 % der Studierenden haben Eltern ohne Hochschulabschluss?

    Also so schlimm kann es mit der vielbescholtenen Determinierung des Bildungserfolges durch die Herkunft in Deutschland dann ja nun auch wieder nicht sein.

  • S
    Simone

    Ich denke ein wesentliches Hauptproblem der Bachelor-Studenten ist, dass ihnen immer wieder eingeredet wird sie müssten überfordert sein. Ich studiere noch auf die Diplom, der Jahrgang nach mir auf Bachelor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass zumindest in meinem Studiengang die Bachelorstudenten schlechter ausgebildet werden, aber nict mehr arbeiten müssen, als Diplomer. Es werden weniger Lerninhalte vermittelt, weil eben auch weniger Zeit da ist. Die Bachelorstudenpläne sind eher leerer als meiner. Sicher wesentlich dadurch bedingt, dass sie dadurch, dass man ihnen einen fertigen Studenplan an die Hand gibt glauben, dass sie ausreichend ausgebildet werden, wenn sie diese Veranstaltungen besuchen. Ich habe während meines Studiums diverse Veranstaltungen besucht in dennen ich mich nie prüfen lies, die ich aber für einen wichtigen Baustein meines Studiums hielt. Heute macht man das scheinbar nicht mehr. Doch ich glaube, wenn man den Studenten nicht ständig einreden würde sie seinen überfordert, dann würden sie auch besser zurecht kommen. Studium war noch nie einfach. Es erfordert viel, viel Zeit und Streß, aber es ist dauert ja nur einpaar Jahre.

  • P
    Papillon

    Studenten fühlen sich gut gefördert wünschen sich aber mehr Beratung ... ahja!? Ich kenne diese ganze (Selbst)evaluation, die mehr einer Selbstbeweihräucherung gleich kommt. Selbst wenn man dem Prof eine reinwürgen will, aber doch den Anspruch an sich legt, zutreffende Antworten zu geben, kommt bei diesen Fragebögen nur Positives raus.

     

    Bildungseliten können so nicht geschaffen werden; allenfalls - begünstigt durch die Masterisierung (Studium speziale) und Verkleingeisterung - Fachidioten. Die gesamten Systeme in Deutschland haben Schieflage, nicht nur in der Hochschulpolitik. Wenn sich wirklich was bewegen soll, dann müssen wir anfangen das Denken und Hinterfragen zu fördern und nicht diese elende akademische Verkleisterung.

     

    Gruß

    Papi

  • S
    Studi

    Das die Anforderungen in BA-Studiengängen viel zu hoch sind und das Lernen eher an Schulde denn an Universitäten erinnert, kann ich nur bestätigen.

    Ich selbst habe Philosophie an einer Uni in Dresden studiert und kann nur sagen, dass dieses Studium in Kombination mit dem "Neben"-Fach "Neue Deutsche Literatur" zwar zu schaffen, aber in Hinsicht auf Wissensvermittlung und -anwendung sinnlos ist. Im Grunde geht es darum, ca. 30 Bücher in einem Semester auswendig zu lernen und dann eine Literaturklausur zu schreiben, die eigentlich nur eine Überprüfung der Leseleistung ist. Man muss das Buch nicht verstanden haben, sondern nur wissen was Akteur A zu Protagonist B an welcher Stelle des Textes gesagt hat und die auswendig gelernte, vorgestanzte Einordung in Literaturepochen herauswürgen. Um eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem literarischen Stoffen und seiner Verfasser geht es in keinster Weise.

    Das gleiche gilt für den Studiengang "Philosophie", der ja an sich schon keinen Sinn macht. Wer braucht heute schon Philosophen? Um so erstaunter war ich, wie voll der Hörsaal zu Beginn des Studiums war. 200 teils sehr junge Menschen wollen Philosophen werden?

    Der Hintergrund für diese Masse an Teilnehmern scheint mir das Angstinstrument "Hartz4" zu sein. Lieber schnell irgendwas studieren, als wieder bei Mutti einziehen zu müssen und den Schikanen der Arbeitsagentur ausgesetzt zu sein. Ich kann das schon verstehen, aber diese Entscheidung geht mit einer BAföG-Überschuldung, Lustlosigkeit oder Überforderung beim Lernen und am Ende dann mit der großen Frage nach dem eigentlichen Sinn des Studiums einher.

    Ich glaube, diese Art von geisteswissenschaftlichen Studiengängen sind nur dazu da, die Ausstattung der "Mint-Fächer" und damit die Universität mit dem Semesterbeitrag zu finanzieren, deshalb sind sie nicht an Zulassungsbedingungen gebunden.

    Dem muss sofort ein Ende gesetzt werden, denn das führt nur zu nutzlos ausgebildetem Arbeitsamt-Futter und frustrierten, überforderten Studenten. Gäbe es genug sinnvolle Ausbildungsplätze, würde sich das Problem von alleine lösen.

  • K
    Kurzzeitstudent

    Warum konnten sich Studierende in der Umfrage nicht selber bewerten? Denn die Studierenden wären die ersten, denene ich raten würde ihr Studium anders zu gestalten. Wenn ich in Seminaren sitze, diskutieren meist nur von 10% der Anwesenden über die Themen, der Rest sitzt rum und weiß gar nicht so recht, was er dort tut. Es ist auffällig, dass das Interesse nur darin besteht, möglichst mit wenig Aufwand durch das Seminar zu kommen, so ist entscheident wie viele Seiten Hausarbeit abzugeben sind, ob wann ein Referat halten MUSS oder sonstiger Arbeitsaufwand. Die Themen sind zweitrangig. Apropo Themen: Das neue modularisierte Studium schreibt ziemlich exakt vor, was alles zu erledigen ist, so fragt Student oftmals nur danach, was man noch alles erledigen MUSS, anstatt, was man gerne machen WILL. Eigentverantwortliches Studium sieht anders aus.

     

    @ Ingo. Mit Studiengebühren würde so mancher sicherlich nicht das Studium beginnen, aber Chancengerechtigkeit sieht anders aus. Apropo Widerspruch Chancengerechtigkeit: Einem Grundschüler zu sagen, dass er es nicht draufhat und leider kein Gymnasium besuchen darf... die Bildungsministerien haben noch einen langen Lernweg vor sich.

  • I
    Ingo

    Ich bin für Studiengebühren 20.000€ im Jahr kalkulatorisch.

    Diese Gebühren sollte man nicht bezahlen müssen, wenn man aber auswandert, sollte man das hochrechnen und dann die Kohle an den Staat zurückgeben müssen.

     

    Es studieren viel zu viele Menschen.

     

    Das Recht auf Bildung wird immermehr zur Pseudopflicht.

     

    Arbeitsplätze braucht das Land und keine immer neuen Beschäftigungsmaßnahmen ( Studiengänge) um später dann die Löhne noch weiter zu drücken.

     

    Von nichts kommt nichts.

    Und ein Studium sollte man nicht an die Rentenkasse anrechnen lassen können.