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Ulrich Schnauss über die Musikindustrie"Davon leben zu können, ist ein Privileg"

Ulrich Schnauss produziert Soloplatten, Soundtracks und Remixe. Das Netz sei sinnvoll um bekannt zu werden, sagt er, doch um Geld zu verdienen, brauche man die Industrie.

Musik machen, die man selbst hören will: Ulrich Schnauss (r.) mit seinem kollegen Mark Peters. Bild: Nat Urazmetova
Interview von Ben Schwan

taz: Herr Schnauss, Sie haben mit Ihren Soloplatten, Soundtrackbeiträgen und Remixes für "Death Cab for Cutie" oder Depeche Mode mittlerweile einen Weltruf erarbeitet. Wie hat sich das entwickelt?

Ulrich Schnauss: Ich habe Mitte der 90er angefangen, Musik zu veröffentlichen. Zunächst völlig erfolglos. der unerwartete Durchbruch kam dann schließlich mit dem Album "Far Away Trains Passing By" im Jahr 2001. Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass diese Platte aus einer recht illusionslosen Situation heraus entstanden ist: Zuvor hatte ich stets versucht, für einen bestimmten Markt zu produzieren - bei "Far Away Trains" habe ich dann zum ersten Mal alle taktischen oder kommerziellen Überlegungen außen vor gelassen und einfach die Musik gemacht, die ich zu dem Zeitpunkt gerne hören wollte.

Wie gut können Sie mittlerweile von Ihrer Musik leben? Was lohnt sich mehr, Platten, Remixarbeit oder Auftritte?

Bild: Nat Urazmetova
Im Interview: ULRICH SCHNAUSS

wurde 1977 in Kiel geboren und lebt in London. Seine elektronische Musik wird dem Shoegazing-Genre zugeordnet. Neben drei Solo-Platten veröffentlichte er Kollaborationsalben und diverse Remixe. Sein neues Album zusammen mit Mark Peters heißt "Underrated Silence".

Ich kann davon leben - und das ist bereits ein großes Privileg. Es ist schwer zu sagen, was sich am meisten lohnt. Wichtig ist, glaube ich, eine gesunde Mischung aus möglichst vielen Aktivitäten, die einem eine gewisse Unabhängigkeit ermöglichen. Allerdings - eins ist klar: Ohne Weiterverwertung in TV und Film und die daraus entstehenden, zusätzlichen Einnahmen wäre alles noch deutlich schwieriger.

Sie haben in einem Interview einmal erzählt, dass Sie Ihre Platten mittlerweile komplett fertigstellen, bevor Sie sie einem Label anbieten. Welche Vorteile hat das?

Ja, das war eigentlich immer mein Ansatz. In erster Linie einfach deshalb, weil ich selten kompetente Artist & Repertoire-Leute kennengelernt habe, deren Input nicht einfach nur auf egomanischem Manipulations-Drang beruht. Ich bin Kritik gegenüber sehr aufgeschlossen, aber sie muss von Freunden oder Kollegen kommen, deren Urteil sollte ich respektiere, auch wenn es harsch ausfallen. Das Redundante Geplapper von Industrie-Koksern, die es in keinem anderen Job in vergleichbare Positionen schaffen würden, hat mich noch nie interessiert - geschweige denn weitergeholfen.

Wird sich dieser Trend fortsetzen, dass Bands die Platte machen, die sie machen wollen, um erst dann die Labelinfrastruktur zu nutzen?

Ich denke die Frage ist einfach: Was bringt mir ein Label? Schließlich muss ich einen beträchtlichen Teil meiner Einnahmen an die entsprechende Firma abgeben. Wenn ich am Anfang einer "Karriere" stehe, wird es schwerer sein, diese Situation zu vermeiden: Es ist auf jeden fall hilfreich, einen starken Partner mit einer verlässlichen Infrastruktur auf meiner Seite zu haben. Diese Situation kann sich ab einem gewissen Popularitätsgrad verändern - es stellt sich dann die Frage, ob selbst ein gutes Label Ausreichendes leisten kann, um die entsprechenden Abzüge zu rechtfertigen, wenn ich mit einer Eigenveröffentlichung fast die gleiche Aufmerksamkeit erzielen kann.

Wer wird künftig mehr Geld machen, das Label oder der Künstler? Jahrelang mussten sich die Künstler mit dem kleineren Teil zufriedengeben.

Ich halte das nicht unbedingt für die wichtigste Frage - es geht mir eher darum, ob Labels und Künstler überhaupt genügend Geld verdienen, dass es ihnen ermöglicht, weiter zu existieren. Ich würde hier auch die sogenannten bösen Majors und Konzerne durchaus einschließen wollen - wer wirklich ein wenig Ahnung vom Geschäft hat, weiß, dass sich das eine vom anderen schwer trennen lässt.

Ein kurzes Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ende der 90er ging es mir finanziell nicht gerade gut - oftmals war es nur möglich, weiterzumachen, da sich hier und da Chancen ergaben, für Major Labels gut bezahlte Remixe anzufertigen, die oft dann noch nicht einmal veröffentlicht wurden. Auf diesem Weg war es damals möglich, durch das Anfertigen von durchaus fragwürdiger Musik, auch gute Sachen weiter zu finanzieren und nicht aufgeben zu müssen. Solche Nischen existieren heute kaum noch - und man sieht: alles hängt dann irgendwie doch miteinander zusammen.

Sie haben auf Facebook kürzlich eine kleine Diskussion losgetreten, als Sie einen Link gepostet haben, in dem es darum ging, wie Künstler ihre Musik von Downloadplattformen wie dem gerade geschlossenen Megaupload herunterkriegen. Wie ist Ihre eigene Einstellung zu Dateitausch? Es gibt ja mittlerweile viele jüngere Künstler, die meinen, es sei eher hilfreich, um bekannt zu werden.

Wenn es einem lediglich ums Bekanntwerden geht, ist das Internet sicher eine ausschließlich tolle Sache. Dieser Aspekt hat mich allerdings nie sonderlich interessiert - ich veröffentliche Musik, weil ich versuche, meinen Lebensunterhalt von etwas zu bestreiten, das ich als sinnstiftend empfinde und das mir Spaß macht. Was nützt mir Bekanntheit, wenn ich trotzdem kaum eine Chance habe, eine halbwegs solide ökonomische Grundlage für meine Existenz zu schaffen?

Zudem ist Bekanntheit immer relativ - viel Musik, die mir gefällt und für deren Existenz-Möglichkeit ich deswegen unbedingt kämpfen möchte, wird auch mit geballter Netz-Präsenz nie über ein gewisses Nischenpublikum hinaus Gehör finden - wenn dann die wenigen potenziellen Käufer auch noch umsonst runterladen, anstatt ein Produkt zu kaufen, ist das schlechterdings ein Problem von existenziellem Ausmaß.

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9 Kommentare

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  • WS
    Wolfgang Schmidt

    @Ba-Be:

     

    >Grundsätzlich ist es allerdings fragwürdig eine >Kulturpraktik in eine Warenlogik zu pressen.

     

    Diese Aussage ist Quatsch mit Soße! Solange wir in einem kapitalistischen Gesellschaftssystem leben, muss jeder mit seinem Talent wirtschaften. Ein Künstler, der von seiner Kunst leben will und muss hat in diesem System gar keine andere Wahl als mit einer gewissen "Warenlogik" zu arbeiten.

     

     

    >Der Kulturschaffende muss sich im Zusammenhang mit >der herrschenden Verwertungslogik entscheiden ob er >armutsbedrohter Künstler bleibt oder Unterhalter >wird und damit zumindest die Aussicht auf >existenzsicherndes Einkommen hat.

     

    Das war schon immer so und wird immer so sein!

    Extrem problematisch ist aber, dass seit der Einführung des mp3-Formats und der Ausbreitung des Internets auch der "Unterhalter" kaum noch Aussicht auf ein existenzsicherndes Einkommen hat. So sieht's aus!

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    @Tobi:

     

    Joa, sowohl "Clixxoom" als auch das besagte "Deichkind"-Interview sind bekannt.

     

    Aber was bitte, hat das Interview oder Deine Werbung für den Kanla hier mit dem Sachverhalt zu tun und warum sollte sich die Redaktion oder Ulrich Schnauss das anschauen???

     

    Ein Zusammenhang ist beim besten Willen nicht erkennbar.

  • B
    Ba-Be

    Grundsätzlich ist es allerdings fragwürdig eine Kulturpraktik in eine Warenlogik zu pressen. Es wird allenthalben über gut und schlecht, über wertvoll und wertlos und damit über finanziell verwertbar oder brotloses Nischendasein entschieden.

    Der Kulturschaffende muss sich im Zusammenhang mit der herrschenden Verwertungslogik entscheiden ob er armutsbedrohter Künstler bleibt oder Unterhalter wird und damit zumindest die Aussicht auf existenzsicherndes Einkommen hat.

  • T
    Tobi

    Aha... ich empfehle Herrn Schnauss, der Redaktion und alles gut gläubigen Menschen sich mal das aktuelle Deichkind Interview auf dem Youtube Kanal Clixxoom anzuschauen ;-)

  • SW
    S. Weinert

    @ Tom Weber

     

    Hinsichtlich der Tatsachen:

     

    - Menschen haben ein bestimmtes Budget für Musik. Menschen haben für vieles ein bestimmtes Budget. Ist das Budget ausgereizt, beendet das den Konsum.

     

    - Die Einnahmen der Musikindustrie sind in den letzten 10 Jahren gestiegen. In Wahrheit sind sie um ca. 34% zurückgegangen (Quelle: Bundesverband der Musikindustrie)

     

    - Wie viele Labels sind in den Jahren des Filesharing Pleite gegangen? Hinterlistige Frage... Labels gehen nicht Pleite. Das liegt daran, dass sie weiterhin die Rechte an den in der Vergangenheit produzierten Werken halten. Allein um diese (weiterzu-)verwerten wird jedes insolvente Label übernommen. Was jedoch nicht bedeutet, dass der Verlag weitergeführt wird. In sehr vielen Fällen werden sämtliche Angestellten und die Musiker entlassen und jeder weitere Geschäftstätigkeit (außer eben der Rechteverwertung) eingestellt. (Beispiel: http://www.laut.de/Labels-am-Abgrund/Der-nackte-Kampf-ums-Ueberleben/03-03-2010)

     

    - Wie viele Bands mussten aufhören oder können nicht mehr von ihrer Musik leben? Genaue Zahlen sind kaum zu erhalten. Bei der Künstlersozialkasse müssen Künstler (auch Musiker) alle drei Jahre einen Nachweis erbringen, noch künstlerisch tätig zu sein und einen bestimmten Mindesbetrag durch ihre Tätigkeit zu verdienen. Laut Angaben der KSK ist die Anzahl versicherter Musiker seit Jahren deutlich zurückgegangen.

     

    - Und viel wichtiger: Wie viele wären es, gäbe es kein Filesharing? Das ist ein Scherz, oder?

     

    - Es gibt einfach zu viel Angebot. Das Angebot war früher wesentlich größer und breiter gefächert, die Anzahl der jährlichen Neuerscheinungen lag um ein mehrfaches höher als heute. Lesen sie einmal die Playlist der großen Radiostationen, da werden wenige Songs rauf und runter gespielt. Von Vielfalt kann da keine Rede mehr sein... Dennoch haben früher die Künstler nicht schlecht gelebt.

     

    Es geling den Befürwortern des Filesharing nicht, die Sache schön zu reden. Vielmehr erinnern mich die Argumente an jene Ausreden, die Steuerhinterzieher und Schwarzfahrer immer wieder hervorbringen. Die hören sich auch schön an, werden dadurch jedoch nicht wahr. Mir ist es da schon lieber, wenn Schwarzsauger wenigstens den Mumm haben zuzugeben, dass sie rechtswidrig handeln. Das geradewegs penetrante Einfordern von Absolution ist nur noch peinlich.

  • M
    musikus

    @Lukas: Youtube blockiert videos, weil sie keinen Vertrag mit der Gema hat. Die meisten hochgeladenen videos dürften sowieso illegal verwendetes Material enthalten. Das Problem der Gema ist eher die Verteilungsfrage. Es bekommen ganz andere Leute das Geld, als diejenigen, die es erwirtschaftet haben.

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    @Lukas: Die GEMA sperrt diese Videos, weil die Leute sich die Videos runterladen können und damit den "Kauf" der Musik umgehen, an dem die GEMA die Rechte erworben hat. Wer Musik bei der GEMA anmeldet tritt die Veröffentlichungsrechte an die GEMA ab. Deshalb darf ein Label nicht einfach so Videos, die diese Musik enthalten, irgendwo hochladen.

     

    @Tom Weber:

    Keine Ahnung, wie Du zu der Behauptung kommst, die Einnahmen der Musikindustrie seien gestiegen. Da muss man sehr stark differenzieren, in Bereiche unterteilen usw. - die Auswirkungen des Filesharing sind unbestritten und sorgen für starke Einbrüche. Da muss man sich nur mal die Zahlen des Bundesverbands der Musikindustrie anschauen: http://www.musikindustrie.de/jwb_umsatz09/

     

    zu Deinem 1):

    Tausende von Indie-Labels sind aufgrund des File-Sharing pleite gegangen. Darunter auch z.B. das von den Fantastischen Vier einst betriebene Label "Four Music". Die Jungs von den Fanta 4 scheuten sich auch nicht den Grund öffentlich in Kameras zu rufen. Doch die Ripper hat das einen Dreck interessiert. Hauptsache Musik umsonst. Das große BMG hat seine Musiksparte abgegeben. Sony hat's übernommen. Das größte Indie-Label in Deutschland SPV hat seine Pforten geschlossen. Universal hat alle möglichen Labels geschluckt, weil diese vor der Pleite standen.

     

    Das ganze Biz konzentriert sich nun in wenigen großen global Playern. Viele Musiker und Bands, die bei Indie-Labels, die Pleite gingen, Plattenverträge hatten, haben diese verloren und anschließend keine mehr bekommen oder erst nach geraumer Zeit wieder welche bekommen. Konditionen unbekannt. Beispiele kann ich Dir gerne massenweise aufzählen.

     

    Aber wie wär's, wenn Du einfach mal die Augen aufmachst, Dich umschaust und Dir Deine Fragen selbst "ehrlich" beantwortest? Natürlich wäre das alles anders, wenn es das File-Sharing nie gegeben hätte und nicht geben würde!!!

     

    zu Deinem 2): Das bestreitet sicher niemand. Es aber explizit für die Musikbranche aufzuführen ist totaler Unsinn, denn es gilt für absolut jedes Produkt und jeden Markt.

    Wie Du zu der Behauptung kommst, es würde unter den Musikern der Irrglaube herrschen, gute Musik "müsse erfolgreich" sein, ist mir ein Rätsel. Da kannst Du nur von Leuten sprechen, die nicht wirklich Musiker sind und die sich auch überhaupt nicht im Biz auskennen.

     

    Offensichtlich kennst Du Dich auch überhaupt nicht aus. Jeder realistische Musiker weiß, wie schwer es ist, davon zu leben. Und jeder realistische Musiker ist unheimlich dankbar, vor allem seinen Fans, wenn er davon leben kann! Es gibt tausende sehr gute Musiker, z.B. hervorragende Jazz-Musiker, die wissen, dass sie niemals von ihrer Musik leben können, weil der Markt dafür zu klein ist. Diese Künslter unterliegen keinem Irrglauben und unterlagen auch nie einem solchen.

     

    Das klingt mir eher nach einer weiteren Rechtfertigung für Menschen, die illegales File-Sharing betreiben. Da wird überall die Schuld gesucht, nur nicht bei sich selbst. Bloß nicht eingestehen, dass man pausenlos Diebstahl begeht und Menschen in den Ruin treibt...

  • TW
    Tom Weber

    "Davon leben zu können, ist ein Privileg" ist eine verdammt gute Aussage, auch wenn der restliche Artikel das irgendwie dann doch wieder nicht ganz rüberbringt.

     

    Tatsache ist:

    Menschen haben ein bestimmtes Budget für Medien, das sie auch ausgeben. Die Einnahmen der Musikindustrie sind alles in allem in den letzten 10 Jahren gestiegen, nicht zusammengebrochen. Warum wird also trotzdem immer wieder behauptet, Filesharing würde die Musik töten?

     

    Zwei Möglichkeiten:

    1) Es stimmt nicht und ist einfach erfunden.

    Wie viele Labels sind denn in den Jahren des Filesharing pleite gegangen? Wie viele Bands mussten aufhören oder können nicht mehr von ihrer Musik leben? Und viel wichtiger: Wie viele wären es, gäbe es kein Filesharing?

    2) Es gibt einfach zu viel Angebot.

    Wie viele Bands und Labels können überhaupt von ihrer Musik leben? Filesharing hin oder her, man kann nicht beliebig viel Musik von beliebig vielen Bands verkaufen. Dabei ist es absolut egal, wie gut die Künstler sind. Es herrscht unter Musikern und Labels ein bisschen der Irrglaube vor, dass "Gute Musik" auf jeden Fall so erfolgreich sein MUSS, dass der Künstler davon leben kann. Aber wo soll denn das Geld dafür kommen?

  • L
    Lukas

    Natürlich sollten gute Künstler vernünftig für Musik entlohnt werden, ich denke, dass sollte außer Frage stehen!

    Ich denke, daran, dass es zu oft nicht klappt, sind die Konsumenten teilweise selber Schuld. Musik wird in jüngeren Generationen mehr und mehr als "freies Gut" gesehen. Im Radio, Musik Fernsehen und (noch) im Internet lässt sich fats die ganze Musikbandbreite konsumieren. Dass viele Künstler die finanzielle Unterstützung brauchen ist vielen schlicht nicht bewusst. Da wird man auch schon des öfteren schief angeguckt, wenn man erzählt, dass man viele CDs kauft.

     

    Allerdings sind diese teilweise relativ teuer und niemand möchte 15 oder gar 20 Euro ausgeben für ein Produkt, welches im Nachhinein enttäuscht, da man vorher, wenn überhaupt, nur ein Lied davon kannte. Und da wären wir dann auch schon bei der GEMA, die von Label selbst hochgeladene Videos in Deutschland sperrt, im Prinzip die Werbung für die Musik blockt. Da frage ich mich nur noch: SINN?