Uli Hannemann übrigens: Einige meiner besten Freunde sind fein mit dem Wort „lecker“
Anlässlich einer Diskussion darüber, wer welche Wörter oder Redewendungen nicht ausstehen kann, fragte ich mich, was denn mir selbst „so richtig auf den Wecker geht“, um hier bereits die erste Redensart zu nennen.
Zum Beispiel das meist von Jüngeren verwendete „Ich bin fein damit“. Damit bin ich ums Verrecken nicht fein, weil: Das ist kein Deutsch.
Doch was triggert mich daran bloß derart wutbürgerhaft: Sind es Ageismus und unterbewusst verwurzelte Misogynie, dieselbe, die auch dazu führt, dass ich von jener Frauenstimme, die die Berliner Yorck-Kino-Werbung spricht („… weirde Filme, cute Filme, ach, schau doch einfach alle Filme …“) mittlerweile krasse Allergiepickel bekomme?
Denn, „Hand aufs Herz“, was ist so schlimm daran, dass irgendwas kein Deutsch ist? Ist doch gut, weil es ja sonst bedeuten würde, dass Hitler gewonnen hätte. Auch deshalb habe ich im Grunde gar nichts gegen Anglizismen, „im Gegenteil, einige meiner besten Freunde sind …“, hahaha, auch so eine bekloppte Kommunikationshülse.
Erstaunlich viele Leute cringen extrem auf das Wort „lecker“. Früher war bei uns zu Hause das Wort tabu, weil auch meine Mutter es verabscheut. „Lecker“ ist für sie und ihresgleichen mit schon fast pestbeulenartiger Gänsehaut verbunden, so als hätte jemand vor ihnen mit langen Fingernägeln auf einer Tafel gekratzt oder am rauen Parkastoff geleckt.
Uli Hannemann
ist seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Er ist Mitglied der Berliner Lesebühne „LSD – Liebe statt Drogen“ und Autor zahlreicher Bücher.
Dieser Effekt stellt sich wiederum bei mir angesichts des Satzes ein: „Ich wünsche meinem Herzensmenschen eine traumschöne Zeit.“ Wer „Herzensmensch“ sagt, trinkt auch „Wohlfühltee“ oder entführt Gesundheitsminister. So jemand ist nicht zu trauen. Pathos ist bombastbeladener Gefühlsersatz für Leute, die als sensibel gelten wollen, ohne es zu sein.
Davon geht mir doch „das Messer in der Tasche auf“, übrigens ebenfalls ein Ausdruck, der so bescheuert ist, dass ich verstehen würde, dass anderen da das Messer in der Tasche aufgeht. Denn wenn einem das Messer in der Tasche aufgeht, ist das – ein weiterer schlimmer Halbsatz – „ein klassisches Eigentor“: Es drohen Verstümmelungen im Genitalbereich bis hin zur Kastration, sodass wir auf einmal völlig andere Sorgen hätten als kleinmütiges Nölen über Wörter, die wir nicht lecker finden. Das wird uns dann „ganz sicher eine Lehre sein“.
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