piwik no script img

■ Ufo-Sichtermittlung in Berlin und BrandenburgIck sehe wat, wat du nich siehs!

„Ej, kiek ma, wat is denn ditte?!“ – ein Satz, den das eingeborene Berliner Urviech in jeder Lebenslage oft und gern äußert; ein Satz, der uns in diesem Fall auf das Thema „Unbekannte Flugobjekte“ einstimmen soll. „Ej, kiekma, wat is denn ditte?!“ sagt da also ein Berliner – nennen wir ihn Kasulke –, und es findet sich womöglich ein anderer Berliner, und der hat eine Antwort: „Weeß ick ooch nich, wa ej, aba det leuchtet irjendwie so komisch am Himmel.“ „Ej, paß ma uff, ej“, wird nun Kasulke erwidern, „det is'n Ding. Det ist womöglich so'n Ufo, vastehste? Da ruf ick doch jleich den Ufo-Sichtermittler für Berlin-Brandenburg von dem ssentralen Erforschungsnetz außerjewöhnlicher Himmelsphänomene, kurz: Cenap, an.“

Das ist aberwitzig, wird man an dieser Stelle einwenden wollen, kein echter Berliner kann seinen Sprachorganen einen solchen Satz abringen – und tatsächlich, es handelt sich hier um ein Beispiel. Fiktiv. Doch die Institution ist echt. Dieter Flack, 42, Getränkehändler aus Kreuzberg, ist seit Anfang des Jahres Ansprechpartner für jeden, der etwas außergewöhnlich Außergewöhnliches beobachtet hat.

Was tut nun ein Ufo-Sichtermittler in einem solchen Fall? Er aktiviert sein Kombinationsvermögen und sein Fachwissen. Zunächst einmal wird er um eine möglichst genaue Erklärung des Phänomens bitten, um optische Illusionen wie Taschenlampen, Glühwein, Leuchtkäfer, Glühwürmchen und ähnliches auszuschließen.

„Kolleje“, würde unser Herr Kasulke an dieser Stelle artikulieren, „da bringste mich aba in Verlejenheit. – Also, det war so wat wie'n jroßer Jelber, bloß mehr jrün, een jroßer Jrünjelber also, aber nich wie so'n Bus, wa, mehr wie der Wasserklops am Ku'damm, wa ...“

So oder ähnlich, unter Berücksichtigung regionaler Idiome, hören sich viele Beschreibungen an, die die 70 bundesweit für die Cenap aktiven Sichtermittler zu hören bekommen. Da heißt es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das Gros der Anrufer disqualifiziert sich bereits durch gelinde Übertreibung: Da werden unbekannte Flugobjekte beobachtet, die zwischen Hochhaus- und Sportplatzgröße variieren und „von null auf hundert, rechts, links, diagonal durch die Gegend zischen“.

Flack lacht bei der Beschreibung. Die Cenap, der er sich gerade aufgrund ihrer kritischen Überprüfung solcher Fälle verbunden fühlt, hat in den 20 Jahren ihres Bestehens noch kein „echtes“ Ufo nachweisen können, trotz sorgfältiger Auswertung aller Zeugenaussagen in der Mannheimer Zentrale. Was ihn in seiner Überzeugung bestätigt, daß es nie außerirdische Besucher samt Fahr- bzw. Flugzeugen gegeben hat.

Aber ist er mit einer solchen Einstellung der richtige Mann für diesen Posten? „Ja“, sagt Flack, „gerade mit so einer Einstellung. Aber Sie würden staunen, wie viele Leute tatsächich davon überzeugt sind, daß wir eines Tages von Außerirdischen gerettet werden.“

Nicht wenige dieser sogenannten Ufo-Gläubigen stehen nach eigenem Bekunden bereits in engem Kontakt mit dem Universum. Der Santina-Kreis Berlin zum Beispiel ist bestrebt, den ignoranten Erdlingen die Botschaften der Santina per Flugblatt zugänglich zu machen. Die Santina – nicht zu verwechseln mit den Leuten aus Nicaragua, die uns mit dem abscheulichen, teuren Kaffee versorgen – sind angeblich ein Sternenvolk aus dem benachbarten Sonnensystem Alpha Centauri. Grob vereinfacht lautet ihre Message: „Schluß mit dem Atomquatsch!“ Zumindest das klingt vernünftig.

Und was sagt die Cenap zu den Berichten von Leuten, die behaupten, von Ufos entführt worden zu sein? „Davon distanzieren wir uns ausdrücklich“, sagt Flack energisch. Logisch, denn es liegt ein unlösbarer Widerspruch in der Vorstellung, daß ein Wesen, das pfiffig genug ist, per Raumschiff umherzuschippern, gleichzeitig so dämlich sein könnte, sich dabei freiwillig einen Berliner aufzuhalsen. Michaela Behrens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen