Uefa-Cup-Finale im Frauenfußball: Ärger um Marta
Nach dem Uefa-Cup-Sieg des 1. FFC Frankfurt gegen Umeå IK löst die weltbeste Kickerin Marta eine klitzekleine, aber für den Frauenfußball immer noch untypische Kontroverse aus.
FRANKFURT AM MAIN taz Für einen Moment drohte der im Frauenfußball übliche, aber langweilige Schmusekurs. "Das war Werbung für den Frauenfußball" ist so einer dieser Sätze, die, selbst wenn sie richtig sind, man bald nicht mehr hören kann. Und die neue europäische Rekordkulisse von knapp 28.000 Zuschauern für ein Vereinsspiel der Frauen schrie geradezu nach diesem Satz. Zumal sich auch noch die beiden Dauerrivalen im europäischen Frauenfußball, der 1. FFC Frankfurt und Umeå IK, ein bemerkenswertes Duell um den Europapokal geliefert hatten und Frankfurt durch den 3:2-Sieg den dritten Titel nach 2002 und 2004 geholt hatte.
1. FFC Frankfurt: Rottenberg (46. Ullrich) - Kliehm (47. Günther), Tina Wunderlich, Lewandowski, Bartusiak - Garefrekes, Weber, Krieger, Wimbersky (87. Thomas) - Prinz, Pohlers
Umeå IK: Rönnlund - Paulson, Frisk, Rasmussen, Westberg - Berglund (46. Bachmann), Östberg, Dahlquist, Yamaguchi - Edlund (64. Jacobson), Marta
Zuschauer: 27.640, Tore: 1:0 Pohlers (7.), 2:0 Pohlers (56.), 2:1 Dahlquist (72./Foulelfmeter), 3:1 Wimbersky (72.), 3:2 Östberg (84.)
Doch dann lieferte Umeas Trainer Andreé Jeglertz die Vorlage für eine zünftige Kontroverse: "Keine Frage, Frankfurt hat heute verdient gewonnen, wir haben unsere eigenen Ressourcen nicht ausgenutzt." Eine, oder besser: die Ressourcen der Nordschweden heißt Marta Vieira da Silva, aktuelle Weltfußballerin, und zu ihr hat Jeglertz auch noch etwas zu sagen: "Es ist okay, wenn Zuschauer ihr Team anfeuern, aber dass sich das über das Auspfeifen von Marta definiert, finde ich bedauerlich."
Sein Gegenüber Hans-Jürgen Tritschoks hätte das unkommentiert lassen können, wollte er aber nicht: "Die Frage ist doch, warum pfeifen die Zuschauer? Marta ist zwar eine geniale Spielerin, aber kein Vorbild. Wer ständig lamentiert, eine gelbe Karte für die Gegnerin fordert und Fouls vortäuscht, hat es schwer, Respekt zu verlangen." Und ruck, zuck war das schönste Streitgespräch vom Zaun gebrochen. Normal sonst im Sport, im Frauenfußball aber eher selten, weil die ungesunde Haltung vorherrscht, was man sich selbst schönredet, wirkt auch schön.
Dieses Spiel hatte ausnahmsweise kein Schönreden nötig und vielleicht war es gerade die Klasse des Spiels, die die Emotionen kochen ließ. Und natürlich, Marta polarisierte, auch wenn sie eher ein schwächeres Spiel ablieferte. Im Hinspiel hatte sie nach elf Sekunden getroffen, in der ersten Halbzeit in der Frankfurter WM-Arena fiel sie erstmals dadurch auf, als sie nach einem Bodycheck gegen sie die Geste mit der virtuellen Karte machte und Katrin Kliehm diese auch prompt (und zu Recht) erhielt. Ab da ging das Pfeifkonzert los. Gewissermaßen als Resultat des kollektives Gedächtnis, viele hatten noch einschlägige Szenen aus dem WM-Finale in China zwischen Deutschland und Brasilien im Kopf oder aus dem Hinspiel, als Marta nach einem Zweikampf mit Birgit Prinz die Schwerverletzte markierte.
Genie und Biest, das ist Marta in einer Person. Vielleicht sogar notwendigerweise. Denn jeder Gegner hat nur ein Ziel: Marta mit allen Mitteln aus dem Spiel zu nehmen. Gegen diese oft schmerzhaften Begegnungen wehrt sie sich mit Toren, aber auch mit Mätzchen. Ihre Spielkunst ist dabei zweifellos wirkungsvoller. Zwei richtig gute Szenen hätten ihrem Team fast gereicht, um zum dritten Mal binnen sieben Jahren seit dessen Premiere den Europapokal zu gewinnen. Die erste führte zu einem Elfmeter, mit dem Lisa Dahlqvist auf 1:2 verkürzte, dann hämmerte Marta in der 90. Minute einem Freistoß von halbrechts aus rund 35 Metern an die Latte. Es wäre das 3:3 und der Titel für Umea gewesen. Ein Herzschlag-Endspurt in einem Spiel, das Frankfurt über weite Strecken dominiert hatte, weil das Kollektiv besser funktionierte.
Denn das "Prinzip Marta" war für Umeå letztlich auch der Schlüssel zur Niederlage. Denn die Schwedinnen hatte außer der Brasilianerin kaum Varianten zu bieten. Und der 1. FFC beschränkte sich nicht nur auf eine Doppeldeckung für Marta, sondern verhinderte in erster Linie die Zuspiele auf sie. Und hatte die "blonde Marta" im Sturm, Conny Pohlers. Die ehemalige Potsdamerin stellte einen ganz besonderen Rekord auf: Mit ihren zwei Toren traf sie in insgesamt vier Uefa-Cup-Finalspielen acht Mal. Und ließ dennoch keinen Vergleich mit Marta zu: "Die kann fast alles, ich nur Tore schießen."
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