piwik no script img

Überwachung auf DemonstrationenKriminelle Kameras

Das Abfilmen der Demonstration „Freiheit statt Angst“ im Oktober 2008 sei rechtens gewesen, behauptet der Berliner Innensenator. Bürgerrechtler sagen, die Polizei überschreite regelmäßig ihre Befugnisse.

Dürfen sich vermummen, oft aber nicht filmen: Polizisten auf Demonstrationen. Bild: dpa

Eine Demonstration gegen Überwachung und Vorratsdatenspeicherung wurde von zahllosen Kameras der Polizei gefilmt. Übertrieben oder sogar provozierend fanden dies die Demonstrierenden. Zahllose PolizistInnen waren bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“ im Oktober 2008 mit Kameras ausgestattet und dokumentierten das Geschehen. Rechtswidrig, meinen Bürgerrechtler.

Für das Filmen auf Demonstrationen sieht das Versammlungsgesetz hohe Hürden vor. „Weil die Versammlungs- und Meinungsfreiheit gewichtige Grundrechte sind und der Staat sie ermöglichen und nicht durch Überwachungsmaßnahmen verhindern soll“, kommentierte der Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen und Anwältevereins (RAV), Hannes Honecker. Es müssen demnach „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, nach denen von den Demonstrationsteilnehmenden „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ ausgehen, damit auf Versammlungen gefilmt werden darf.

Diese Voraussetzungen hätten bei der „Freiheit statt Angst“-Demonstration im vergangenen Oktober vorgelegen, behauptet nun der Berliner Senator für Inneres und Sport, Ehrhart Körting. Schließlich sei auf der Internet-Plattform Indymedia zu Vermummung und „direkten Aktionen gegen Überwachungskameras“ aufgerufen worden.

Diese Argumentation hält der RAV-Rechtsanwalt Sven Adam nicht für stichhaltig. „Es müssen auf der Demonstration solche Anhaltspunkte ersichtlich sein, nicht im Vorfeld.“ Ist eine Demonstration friedlich, darf nicht gefilmt werden.

Gerade das Filmen wegen befürchteter Vermummung scheint zudem nicht dazu geeignet, Straftaten zu verhindern. Vermummen sich die meisten doch gerade wegen der polizeilichen Überwachung. „Je weniger Kameras da sind, desto eher verzichten Demonstrationsteilnehmer auf Vermummung“, sagte der Demonstrationsleiter Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Aktionsbündnis Freiheit statt Angst. „Und leider haben wohl einzelne Kamerateams der Polizei viel mehr gefilmt, als nötig.“ Nach Auffassung des Bündnisses stellt das Vermummungsverbot an sich bereits einen schweren Eingriff in das Versammlungsrecht dar.

Das Bundesverfassungsgericht sprach sich schon in seinem Volkszählungsurteil von 1984 implizit gegen Videoüberwachung auf Demonstrationen aus. Wer nämlich damit rechne, dass eine Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert werde, „wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten.“ Nicht nur die individuellen Entfaltungschancen wären dann beeinträchtigt, sondern auch das Gemeinwohl: „Weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist", so das Bundesverfassungsgericht.

Trotzdem gehört das Abfilmen von Demonstrationen mittlerweile zu den polizeilichen Standardmaßnahmen. „Regelmäßig sind Kameras im Einsatz, ohne dass Einsatzgründe für das Filmen erkennbar sind“, berichtet der RAV-Geschäftsführer Honecker. „Die Polizeien teilen in der Regel auch ihre Einsatzgründe nicht mit, so dass davon auszugehen ist, dass regelmäßig unabhängig von den im Gesetz genannten Gründen gefilmt wird.“

Die neuen Versammlungsgesetze auf Länderebene, die von verschiedenen Bundesländern derzeit geplant sind, sehen eine deutliche Ausweitung der behördlichen Befugnisse vor. „Sofern es zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens erforderlich sein kann, darf die Polizei auch Übersichtsaufnahmen anfertigen“, heißt es zum Beispiel im bayerischen Gesetz. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Passage unlängst für verfassungswidrig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • MK
    Manfred K. Veits, Rechtsanwalt

    Siehe dazu die von mir erstrittene und verlinkte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ab Randnummer 36 ff, sich im öffentlichen Raum frei bewegen zu dürfen.

     

    http://aktionboss.de/kriminelle-kameras

  • F
    Felicitas

    "Je weniger Kameras da sind, desto eher verzichten Demonstrationsteilnehmer auf Vermummung"

     

    Grün-Blau-Schwarz-Trachtler und humanistisches, bürgerfreundliches Handeln?

    Das ist nicht ihr Ernst?

     

    Währe es Vorschrift, jede Personenkontrolle mit

    einer Stuhlproben-Entnahme zu verbinden,

    die würden es tun.

    Wetten das?

  • D
    Diestel

    @knt

     

    vielen Dank für ihren guten Beitrag.

     

    "Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt, die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt..."

    Reinhard Mey

  • V
    Vermummter

    Also ich persönlich vermumme mich auf jeder Demo sehr grenzwertig, weil ich keine Lust habe, für mein politisches Engagement kriminalisiert zu werden. Bisher ging es immer gut, mal sehen wie lange noch. Das wichtigste auf Demos ist es, Ketten zu bilden so dass die Bullen nicht in die Reihen gehen können um einzelne Leute rauszugreifen. Dann ist es auch relativ folgenlos, wenn man sich vermummt. Man sollte natürlich nicht vermummt alleine am Rande der Demo laufen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man verhaftet wird sehr hoch.

     

    Aber solange dieser Staat versucht, mich illegal davon abzuhalten, meine Meinung zu äußern werde ich illegal handeln um mich dagegen zur Wehr zu setzen.

     

    Deutschland ist ein verdammter Polizeistaat, nichts anderes.

  • H
    Hase

    Eine friedliche Demonstration zu filmen ist rechtswidrig. Aber solange sich keiner dagegen wehrt...

    Nach §§ 19a, 12a VersammlG müssen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von den gefilmten Demonstranten erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.

    Damit ist gemeint: Solange die Demonstration friedlich bleibt und keine Straftaten begangen werden, bestehen diese Anhaltspunkte (=Tatsachen) nicht. Es ist mir unverständlich, warum sich das die Versammlungsleiter gefallen lassen. Auch vor dem Verwaltungsgericht bezahlt der Verlierer den Prozess..

  • CK
    Christian Kriegsmann

    KOMMT

     

    Wir Machen eine Demo

    Samstag, 23.03

    Alle nach Frankfurt oder Berlin!

     

    Im Ernst, die Zeit der Clipchen gucken ist vorbei. Ich bitte euch, von Mensch zu Mensch um den Gefallen, dass ihr euch den link einmal mit Verstand, und Herz, durchlest.

     

    28maerzde

    lest ganzen aufruf

     

    Ich finde einfach keine schlüssigen Argumente um den Verfasser zu wiederlegen.

    Unser einziges, verbliebenes, demokratisches Mittel ist es zu demonstrieren, damit Gerechtigkeit herrscht!

     

    Ich hoffe wir sehn uns... Alle!

  • K
    knt

    Auf den letzten Demos hatte ich immer mehr das Gefühl eines Spießrutenlaufes an statt einer freien Meinungsäußerung und politischer Diskusion.

     

    Die Polizei tritt dort dermaßen unverschämt, provokant und brutal auf das selbst mein friedliches Herz oft vor Empörung überkocht - und dabei bin ich schon 60 und ganz bestimmt kein radikaler.

     

    Ich habe 89 die Montagsdemonstrationen in Leipzig mitgemacht und mein Eindruck ist das die Volkspolizei und Stais damals deskalierender gewirkt haben als unsere "demokratische Polizei" heutzutagen!

     

    Eine solche Massendemonstration wie damals würde heute nicht so friedlich ablaufen und das obwohl wir damals viel radikaler waren und z.b. Stasi Kasernen und Polizeiwachen besetzt - ja einen ganzen Staat aus den Angeln gehoben haben!

     

    Ich sage das ganz deutlich: Ich bin damals schon gegen den Staatsterror auf die Straße gegangen und werde das tun solange ich laufen kann.

     

    Ich habe NICHT die DDR abgeschaft um dann in der BRD von der Staatsmacht wie ein Verbrecher behandelt zu werden. Das ist Unrecht.

     

    Die deutsche Revolution in den 80zigern hat gezeigt das was Möglich ist. Leute! Kommt auf die Straße! Eure Freiheit ist wertlos wenn ihr euch einschüchter lasst!

  • V
    vic

    Das BVG hat aktuell Bayern und anderen Ländern das verfassungsfeindliche Verhalten untersagt. Versammlungs- und Meinungsfreiheit steht über dem Wunsch der Innenminister das Volk zu kriminalisieren.

    Anm.: Staatssicherheit darf sich m. E. nicht länger vermummen und muss identifizierbar sein.

    Dafür gibt es allen Grund, wie man weiß.

    Die sehen wirklich aus wie Gangster, und manche verhalten sich auch so. Es erkennt sie ja niemand.

  • A
    AtheistIII

    Ich finde es schockierend, wie hier einmal mehr die Demokratie verdreht wird.

    In einer solchen sollte es ja eigentlich so sein das die Bürger möglichst alles über den Staat wissen oder zumindest die möglicheit haben alles über ihn zu erfahren, während der Staat nur das nötigste über die Bürger erfahren sollte.

    Stattdessen werden tausende aus nicht absehbaren Gründen unter Generalverdacht gestellt, ausspioniert und eingeschüchtert.

  • B
    Bigkelle

    Big Brother ist überall!!

     

    Wo will der Staat hin... oder besser unsere Wirtschaftspolitiker...Ferkel und co.

    >>Erst Kameraüberwachung, weiter gehts mit Biometriemerkmale in den Personalausweis und Reisepass, dann...

    RFID - die perfekte Überwachung

  • TS
    Thomas Schöffel

    Interessantes Problem: Sollte das Filmen von Demos verboten sein, was macht denn dann das Fernsehen, das im Rahmen seiner Berichterstattung über das Anliegen der Demonstration berichten will ? Alle Gesichter (evt. tausende !)schwärzen ? Und überhaupt: Wenn einerseits das Fernsehen (das ja teilweise auch in Privatbesitz ist) filmen dürfte, wieso dann andererseits nicht andere Private ? Wir haben dann ein Problem mit der Gleichbehandlung vor dem Gesetz ! Kann es sein, daß hier unter dem Denkmantel des vermeintlichen Datenschutzes Trittbrettfahrer Schutz vor Identifizierung von Straftätern betreiben ?

  • NN
    Norbert Norm

    Am Tag nach der Veröffentlichung äußerte sich das BVerfG noch wesentlich eindeutiger zu einem Beschluss, mit dem das bayerische Versammlungsgesetz bis zur endgültigen Entscheidung weitgehend außer Kraft gesetzt wurde. Damit ist absehbar, dass das Gesetz gekippt wird und vermutlich auch die anderen Entwürfe auf Länderebene überarbeitet werden müssen. Konkret hinsichtlich der Überwachung der TeilnehmerInnen heißt es in der Presemitteilung zum Beschluss:

     

    "Bei jeder Versammlung muss folglich jeder Teilnehmer damit rechnen, dass seine Teilnahme unabhängig von der Größe und dem Gefahrenpotential der Versammlung aufgezeichnet wird. Der hierin

    liegende Nachteil erhält dadurch weiteres Gewicht, dass die Übersichtsaufzeichnungen zur Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren ein Jahr ab Entstehung und zu Zwecken der allgemeinen

    Strafverfolgung auch darüber hinaus genutzt und gespeichert werden können. Eine solche anlasslose Datenbevorratung, die allein an die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit und damit an das Gebrauchmachen von einem für die demokratische Meinungsbildung elementaren Grundrecht

    anknüpft, führt zu durchgreifenden Nachteilen."

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-017.html

  • H
    Hobbyt

    Darf man eigentlich die Polizei filmen ?

  • HS
    Hamburger Student

    Bei diversen Demonstrationen in Hamburg gegen die Einführung von Studiengebühren konnte ich am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, von allen Seiten (!) durch Polizisten gefilmt zu werden. Ich war zu keinem Zeitpunkt vermummt, noch habe ich mich jemals strafbar gemacht. Ich kann die im Artikel beschriebene Argumentation des Gerichts nur bestätigen: Da man als Demonstrant keinerlei Kontrolle darüber hat, was im Anschluss an die Demo mit diesen Aufnahmen geschieht, möchte man natürlich jegliches Videotaping der eigenen Person vermeiden. Also, entweder zu Hause bleiben, oder vermummen. Es gab damals nicht wenige unter meinen Kommilitonen, die sich fürs Wegbleiben entschieden haben. Der durch das Filmen erzielte Einschüchterungseffekt der Demonstranten kann jedenfalls als akute Bedrohung und Unterhöhlung unserer Grundrechte begriffen werden.

  • J
    Johannes

    Dass die Polizei so gut wie alle Demos flächendeckend abfilmt ist doch mittlerweile völlig normal.

    Als in Darmstadt vor einigen Wochen ein paar tausend absolut harmlose Schüler demonstriert haben, waren die mit mindestens nem halbem Dutzend Kameras dabei. Aber nich nur so kleine Teile wie auf dem Bild oben, sondern auch richtige Fernsehkameras.

    Die Befugnisse der Polizei bei Demos sollte man dringend mal eindeutiger klären, denn was da teilweise abläuft hat mit Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun.

    Wer weis was die mit dem Material alles anstellen.