Überschwemmungen in Australien: Flutkatastrophe mit Folgen
Unter den Überschwemmungen in Queensland leidet die Wirtschaft des ganzen Landes. Und überflutete Kohleminen dürften auch global Folgen haben.
CANBERRA taz | In den Überschwemmungsgebieten im australischen Bundesstaat Queensland zeichnete sich auch am Mittwoch kein Ende der Katastrophe ab. Im bereits großflächig überfluteten Rockhampton warteten die 75.000 Einwohner darauf, dass der Gregory Fluss den vermutlichen Höchststand von 9,4 Metern erreicht.
Inzwischen ließen die Behörden verlauten, der Pegelstand sei möglicherweise wieder im Rückgang begriffen. An ihren Plänen der Zwangsevakuierung betroffener Wohngebiete werde aber festgehalten, sollte der Fluss den erwarteten Stand überschreiten.
Im Süden des Bundesstaates rüsteten sich unterdessen die Bewohner der Stadt St. George gegen den erwarteten Anstieg des Bayonne-Flusses auf einen historischen Pegelstand von 14 Metern. Einsatzkräfte errichteten mit Hilfe schwerer Maschinen Sandbänke um Wohnhäuser und öffentliche Gebäude.
Behindert wurden sie aber durch erneute Regenfälle. Das australische meteorologische Institut warnte am Mittwoch vor schweren Stürmen, die am Wochenende zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen dürften.
Hunderte von Bewohnern aus den Überflutungsgebieten sind in den letzten Tagen in Auffanglagern untergebracht worden. Der Verlust des Heims und die Unsicherheit über die Zukunft habe zu einem starken Anstieg der Nachfrage nach psychologischer Betreuung geführt, meldete die Suizidpräventionsorganisation Lifeline. Bereits über 2000 Betroffene hätten um psycholgische Hilfe gebeten.
Die Überschwemmungen auf einem Gebiet, das der Fläche von Frankreich und Deutschland entspricht, haben wirtschaftlich immer schwerwiegendere Konsequenzen. Die Überflutung von Kohleminen sowie die Zerstörung von Weizen und anderen Agrarprodukten werde das Bruttoinlandsprodukt Australiens in diesem Jahr um etwa 0,25 Prozent reduzierten, prognostizieren Ökonomen. Die Regierung des Bundesstaates Queensland warnte, der Einkommensverlust aus verschiedenen Sektoren der Wirtschaft werde sich negativ auf das Wachstum des Bundesstaates auswirken.
Queensland ist einer der wichtigsten Exporteure von Kohle auf der Welt. Hochwertige Kokskohle wird vor allem in der Stahlherstellung verwendet. 40 Kohleminen, unter ihnen Anlagen multinationaler Unternehmen wie BHP Billiton, Rio Tinto und Xstrata, mussten in den letzten Tagen wegen Überschwemmungen den Betrieb teilweise oder ganz einstellen.
Es werde mindestens zwei Wochen dauern, um die überfluteten Minen auszupumpen, so die Analysten der Bank Credit Suisse. Pessimistischer äußerte sich der australische Rohstoffminister Stephen Robertson: "Es wird für einige Minen mehrere Monate dauern, bis sie wieder voll arbeiten können."
Normalerweise exportiert Queensland pro Tag Kohle im Wert von etwa 100 Millionen australischen Dollar (76 Millionen Euro). Jede weitere Woche könnte einen Produktionsausfall von 2,8 Millionen Tonnen Kokskohle bedeuten, sagen Experten. Der reduzierte Ausstoß an weltweit begehrter Kokskohle hat in den vergangenen Tagen auf den internationalen Märkten zu einem Preisanstieg geführt. Der größte deutsche Stahlhersteller ThyssenKrupp etwa, der rund 40 Prozent seiner Kohle aus Australien bezieht, teilte gestern mit, dass er in der Folge mit höheren Stahlpreisen rechnet.
Hart getroffen ist auch die Agrarindustrie. Hunderttausende von Tonnen Getreide, Saatgut, Früchten und Gemüse sind den Fluten zum Opfer gefallen. Getreide, das nicht vernichtet wurde, kann oft nur noch als Tierfutter verwendet werden. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge werde Australien auch deutlich weniger Fleisch exportieren können. Das Land ist der zweitgrößte Rindfleischerzeuger der Welt. In Queensland stehen rund 40 Prozent des landesweiten Rinderbestandes.
Mit Sorge beobachtet die australische Versicherungsindustrie die Entwicklung. Erste Schätzungen beziffern die Zahlungen, denen sich der Sektor ausgesetzt sieht, bei einer Milliarde australischen Dollar (760 Millionen Euro). Wie der Analyst Jamie Spiteri der Börsenhandelsfirma Shaw Stockbroking erklärte, die Konsequenzen für die Firmen könnten finanziell bedeutend sein.
Die australische Börse spiegelte die Nervosität der Anleger über das potenzielle Ausmass der Schadenzahlungen wider: Am Dienstag, dem ersten Handelstag nach den Feiertagen, verloren australische Versicherungsaktien insgesamt über 830 Millionen australische Dollar an Wert.
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