■ Überraschungseier sind besser: Mogelpackung Schloß
Warum sind Überraschungseier eigentlich so beliebt? Weil in der bunten Verpackung Schokolade drin ist, und weil's noch etwas zum Spielen dazu gibt. Ihre Freude am Auspacken beweisen die Deutschen zudem jedes Jahr Mitte Dezember aufs neue. Theo Waigel hingegen ist Spielverderber: Er möchte Verpackungsfan Christo seinen Traum, den Reichstag einzupacken, einfach nicht gönnen. Daß er den Berlinern damit den Nervenkitzel raubt, nachzusehen, ob der altbekannte Bau noch drinnen ist, scheint ihn nicht einmal zu stören.
Dafür hat Berlin jetzt seit vier Wochen eine bunte Mogelpackung: Denn die große Stoffschachtel mit Schloß-Motiv beinhaltet eigentlich gar nichts, zumindest nur eine Dokumentation über sich selbst. Die Verpackung ist also da, nur mit Spannung und Nascherei hapert es noch. Dazu wollen den Berlinern jetzt Schausteller verhelfen, die der Stadt einen zweiwöchigen Jahrmarkt bescheren. Eine Loopingbahn wird für mehr Nervenkitzel sorgen, als bei einem Überraschungsei üblich ist, Essen wird es auch geben. Das jedoch finden weder Schloßhund Wilhelm von Boddien noch der stellvertretende CDU-Fraktionschef Uwe Lehmann-Brauns besonders lustig. Letzterer sorgt sich um eine „Störung der Schloßfassade“ und legt den Mitarbeitern des Bezirksamts Mitte nahe, sich „ihrer gesamtdeutschen Verantwortung bewußt“ zu werden. Und die ist schließlich nicht lustig. Sie ist eine gewichtige Angelegenheit, so wie Politik im Bundestag oder Arbeit bei der Treuhand. Was liegt also näher, nimmt man die staatsbürgerliche CDU-Sorge ernst, als auch die Attrappe mit einer Bannmeile zu umgeben? Das Kunstwerk wäre nicht mehr Verpackung, sondern Inhalt. Nur zu Naschen gibt's nichts, da sind Überraschungseier einfach besser. Christian Arns
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