: Überlebensbecher
■ Im autonomen Dorf sind Becher und trockene Socken Mangelware
Überlebensbecher
Im autonomen Dorf sind Becher und trockene Socken Mangelware
An den beiden Einlaßstellen zum kleinen autonomen Dorf auf dem Norbert Kubat-Dreieck herrscht dieseits und jenseits der Barriere reger Funkverkehr. Worüber die Grünuniformierten kommunizieren, darüber läßt sich nur spekulieren, die Wächter des kleinen Dorfes hingegen lassen sich manchmal bereitwillig belauschen. „Mauer eins an Mauer zwei, bitte kommen.“ Mauer eins reagiert nicht. Sie ist gerade damit beschäftigt, auszudealen, wer Bier holen geht. Mauer zwei funkt nochmals: „Mauer zwei an Mauer eins, sofort kommen.“ Mauer eins stellt ihr Gespräch über das Bier zurück: „Mauer eins an Mauer zwei. Was ist los?“ „Mauer zwei an Mauer eins. Ob ihr noch ein paar trockene Socken überhabt?“ „Mauer eins an Mauer zwei. Bedaure. Habe selber nur ein Paar für drei Wochen.“
Doch nicht nur trockene Socken und trockene Schlafsäcke zählen zu den heißbegehrten Objekten. Beinahe noch heißer umworben werden die Kaffeebecher. Wenn es frischen Kaffee gibt, beginnt in der Volxküche eine hektische Suche, denn die Tassen sind rar. Wer nicht gleich eine findet, kommt meist zu spät, denn kaum, daß er fertig ist, ist der Kaffee schon wieder alle. Doch ein echter Überlebenskünstler löst das Problem auf einfache Art und Weise: Man nehme einen handlichen Blechbecher - am besten mit Henkel -, befestige ihn an einem Band und binde dieses am Knopfloch oder Gürtel fest. Ein Besetzer und stolzer Besitzer eines solchen „Überlebensbechers“ schwärmte von seinem Kleinod: „Mit dem kannst Suppe essen, Haschisch und Geld sammeln, Medizin anrühren und Würfeln spielen.„plu
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