Überhangmandate in Schleswig-Holstein: Schwarz-Gelb könnte wackeln
In Schleswig-Holstein rufen Grüne und SSW das Landesverfassungsgericht an. Sie halten die Mehrheit von drei Sitzen, mit der CDU und FDP regieren wollen, für verfassungswidrig
FREIBURG taz | Wie im Bund verhandeln CDU und FDP auch in Schleswig-Holstein über die Bildung einer Koalition. Doch die Verhandlungen in Kiel werden überschattet von Zweifeln an der schwarz-gelben Regierungsmehrheit. Grüne und SSW wollen voraussichtlich an diesem Mittwoch das Landesverfassungsgericht anrufen.
Nach dem vorläufigen Ergebnis der Landtagswahl vom 27. September haben CDU und FDP im Landtag drei Sitze mehr als SPD, Grüne, Linke und die dänische Minderheitspartei SSW zusammen. Diese Mehrheit beruht aber nur auf Überhangmandaten, die nicht ausgeglichen werden - obwohl die schleswig-holsteinische Landesverfassung genau diesen Ausgleich vorschreibt.
Grüne und SSW berufen sich auf Artikel 10 der Landesverfassung. Dort heißt es, dass das Wahlgesetz "für den Fall des Entstehens von Überhangmandaten Ausgleichsmandate vorsehen muss". Tatsächlich verhindert das Kieler Wahlgesetz aber einen vollständigen Ausgleich. Von elf Überhangmandaten der CDU wurden im vorläufigen amtlichen Wahlergebnis nur acht ausgeglichen.
Grüne und SSW betonen, dass sie vor allem Rechtssicherheit schaffen wollen. "Der Landtag sollte bei seiner Konstituierung Klarheit darüber haben, ob die Deckelung der Ausgleichsmandate durch das Wahlgesetz mit der Verfassung vereinbar ist", begründete Robert Habeck, der Grünen-Fraktionsvorsitzende, die Klage. "Weder das Parlament noch die Regierung können fünf Jahre mit dem Vorwurf leben, dass Schleswig-Holstein mit einer verfassungswidrigen Mehrheit regiert wird", sagte SSW-Frontfrau Anke Spoorendonk.
Gemeinsam können die beiden Fraktionen eine sogenannte Normenkontrolle einleiten und müssen nicht die monatelange Wahlprüfung abwarten. Die Linke würde sich auch gerne an der Klage beteiligen, ihre Fraktion ist aber erst nach Zusammentritt des Landtags rechtlich handlungsfähig.
Falls das Verfassungsgericht den umstrittenen Passus des Wahlgesetzes für nichtig erklärt, verlören CDU und FDP ihre Mehrheit. In Kiel müsste dann zwar nicht neu gewählt werden, aber die beiden Parteien bräuchten einen dritten Regierungspartner. Denkbar wäre etwa ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen. Eine alternative Mehrheit unter SPD-Führung ist dagegen ausgeschlossen, weil der SSW nicht mit der Linken zusammengehen will.
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