Über einen undankbaren Job: Der gute und der schlechte Polizist
Zu Hause bei Fremden
von Miguel Szymanski
Kommt ein deutscher Minister nach Lissabon, um mit jungen Portugiesen in einen europäischen Dialog zu treten. Das wird kein Witz. Er kommt wirklich, im Frühjahr, und mich kontaktierte deshalb ein Berliner Think Tank. Ich soll 200 Namen von jungen portugiesischen „Vordenkern und Multiplikatoren” vorschlagen, die an Workshops und einer Konferenz mit dem Minister teilnehmen sollen.
„Sorry, die jungen Portugiesen gab es, sind aber ausgewandert, putzen jetzt Treppen in Frankfurt und schieben Getränkewagen in München”, möchte ich spontan antworten. Dann überlege ich es mir besser und vergewissere mich, dass es nicht Herr Schäuble ist, der nach Lissabon kommt.
Ist er nicht, sondern ein SPD-Minister, Berliner Think Tank, links, alles o. k. Etwas Recherche und Beratertätigkeit geht in Ordnung. Es ist für den Dialog, eine bona causa und nicht pro bono: Irgendetwas muss ich zwischendurch arbeiten, und sei es für die Regierung, für einen Bordellpianisten bin ich zu alt.
Nur, wie soll ich die Namenslisten für den deutschen Minister besorgen? Auf meiner Telefonliste wandere ich auf und ab. Fernando Alvim könnte mir weiterhelfen. Er moderiert seit vielen Jahren das tägliche Radioprogramm „Prova Oral” und eine Talkshow des staatlichen Fernsehens, in der bereits alle Protagonisten des öffentlichen Lebens interviewt wurden. Vor drei Jahren hat er eine Nichtregierungsinitiative gestartet, die Ideenkonferenzen organisiert, bei denen es um langfristige Lösungen für die Krise geht.
Als Redner habe ich an allen Konferenzen der drei letzten Jahre teilgenommen, immer unentgeltlich, denn das Land ist ja pleite, also wird er mir eine Bitte nicht abschlagen können. Ein paar Tage später treffen wir uns in einem Lissaboner Restaurant. Er will wissen, warum ich den Job mache. Ich erzähle ihm von Dialog, Gutmenschen aus Berlin, europäischem Geist, Völkerverständigung, von den offenen Rechnungen und meinem Honorar. Am Ende nickt er und will das Essen bezahlen. Ich bestehe darauf, die deutsche Regierung zahlt.
Der Moderator lässt mir eine Liste zukommen, circa 250 Namen seiner Studiogäste und Konferenzteilnehmer. Ich fange an, mit den Leuten zu reden, von denen ich meine, dass sie das Profil zum Dialog mit einem deutschen Minister hätten. Es sind Künstler, Akademiker, junge Unternehmer, Journalisten, Verleger.
„Deutscher Minister? Für den kann ich nicht”.
„Dialog aus Berlin, das ist wohl die „good-cop, bad cop“- Geschichte!”
„Bei so einer PR-Aktion machst du mit?”
Es sollen furchtlose Denker sein, die Liste ist also gut. Aber warum komme ich mir vor, als wollte ich mit Fernando Pessoa Tchibo-Werbung machen?
Letzten Samstag titelt Expresso, die meistgelesene und seriöseste Zeitung des Landes: „Berlin warnt: Regeln müssen eingehalten werden.” Es ist offiziell, gegen Berlin hat die neue Linksregierung keine Chance. Inzwischen hat im Land jeder verstanden, dass der Löwenanteil der „Hilfsmilliarden” an die Banken ging und Berlin das Sagen hat. Nach drei großen Bankenrettungen in den letzten Jahren gibt es jetzt, ganz aktuell, fünf weitere Milliarden für die Bank BANIF.
Das ist das Geld, das den Leuten zum Leben fehlt. Ohne Dialog und Solidarität ist die EU zum Scheitern verurteilt. Ein Treffen mit einem Minister aus der zweiten Reihe wird das nicht ändern. Nicht solange die Strategie der Entscheider im Machtzentrum Berlin die Bevormundung anderer Staaten ist.
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