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Über dem Kosovo schwebt Leichengeruch

■  KFOR-Soldaten sichern mutmaßliche Massengräber. Die Berichte von Flüchtlingen über Greueltaten serbischer Paramilitärs scheinen sich nun vor Ort zu bewahrheiten. Jetzt sollen Gerichtsmediziner die Toten untersuchen

Die Kosovo-Friedenstruppe KFOR hat gestern drei vermutetete Massengräber im südlichen Kosovo gesichert. Ein Sprecher des britischen Militärs erklärte, die Gräber bei dem Ort Kacanik seien zunächst bis zur Ankunft von Ermittlern des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag abgesperrt worden.

Die Einwohner des Ortes berichteten, serbische paramilitärische Einheiten hätten am 8. und 9. April Massaker in drei Dörfern verübt. Dabei seien 91 Menschen ums Leben gekommen, darunter ein drei Monate altes Baby. Die Menschen seien mit Gewehrkolben erschlagen oder mit Handgranaten getötet und einige erschossen worden. „Es war ein zweitägiger Alptraum“, sagte eine Frau, die eines der Massaker im Dorf Stagov in der Nähe von Kacanik überlebte.

In Kacanik beobachteten britische KFOR-Soldaten, wie Kosovo-Albaner Blumen auf frischen Gräbern auf dem Friedhof des Ortes niederlegten. Dorfbewohner erklärten, sie hätten aus drei Massengräbern etwa 100 Leichen geborgen und anschließend in Einzelgräbern beerdigt.

In der Umgebung von Prizren fanden Soldaten der Bundeswehr ein Grab mit 70 Leichen. Auch aus mehreren Dörfern bei Lipljan, 25 Kilometer südlich von Pritina, werden vergleichbare Vorkommnisse berichtet. Ermittler der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind dort Berichten über die Erschießung von 46 Männern im April nachgegangen. Ein Massengrab von 20 Männern aus Hallaj sei von Polizisten exhumiert worden, berichteten Bewohner des Ortes, die die Toten nach einer Autopsie dann auf dem örtlichen Friedhof bestatten mußten.

Der 30jährige Kosovare Idriz Govori hat das Massaker am 19. April überlebt. „Alle Männer mußten auf der Wiese neben dem Friedhof antreten“, berichtete er gegenüber dpa. Die Paramilitärs nahmen den 40 Männern Geld, Wertsachen und Autoschlüssel ab und griffen dann die jüngeren heraus, insgesamt 13, unter ihnen Govori. Sie mußten sich vor einer Hausmauer aufstellen, mit dem Gesicht zur Wand. Sie wurden mißhandelt, dann wurde ihnen befohlen, sich umzudrehen, und im nächsten Moment feuerten die Freischärler auf sie. Außer Govori überlebte noch ein Dorfbewohner mit einem Schulterschuß. Die Leichen mußten von Serben häufig als Totengräber eingesetzte Roma begraben. Nach ein paar Tagen kam die reguläre serbische Polizei ins Dorf, exhumierte die Leichen und brachte sie zur Obduktion in die Kreisstadt Lipjan. Wieder ein paar Tage später konnten sie sich die Angehörigen abholen – in schwarzen Plastiksäcken.

Die US-Bundespolizei FBI hat, wie vom Den Haager Tribunal gewünscht, 25 Gerichtsmediziner ins Kosovo geschickt, um Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln. In den kommenden Wochen werden auch Experten des Pathologie-Instituts der US-Streitkräfte ins Kosovo verlegt. sf

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