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Archiv-Artikel

ÜBER DEN BUNDESWEHREINSATZ IM KONGO MUSS NEU GESTRITTEN WERDEN Ehrlichkeit statt Abzug

Als die Bundeswehr noch nicht im Kongo war, wurde darüber heiß gestritten. Parlamentarier, Minister und Medien erörterten das Für und Wider einer Beteiligung an dem EU-Truppeneinsatz „Eufor“ zur Absicherung der ersten freien Wahlen im Kongo. Doch jetzt, wo die Truppe da ist und ihr viermonatiges Mandat fast zur Hälfte abgelaufen ist, sucht man vergebens nach einer Diskussion. Es scheint, als habe die Öffentlichkeit den Kongo abgehakt.

Das wäre falsch. Die Lage im Kongo ist explosiv. Einen Monat vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang machen die beiden wichtigsten politischen Lager in Kinshasa, Präsident Joseph Kabila und Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba, gegeneinander mobil und bereiten sich auf einen schmutzigen und eventuell gewaltsamen Wahlkampf vor. Nachdem schon das Ergebnis des ersten Wahlgangs vom 30. Juli Präsident Kabila zu einer Militäroffensive gegen Bemba veranlasste, weil er sich in Kinshasa in die Defensive gedrängt sah, ist nicht auszudenken, was nach dem zweiten Wahlgang am 29. Oktober geschehen wird, wenn einer der beiden endgültig als Verlierer dasteht. Keinem der beiden ist überdies wirklich zuzutrauen, nach den Wahlen den Kongo zivil und demokratisch zu führen. In verschiedenen Landesteilen regen sich bereits mögliche Militärführer einer neuen Rebellion der Enttäuschten.

Es ist fahrlässig, in einer so prekären Lage zu betonen, das Mandat der Bundeswehr und der EU-Truppe werde wie geplant Ende November enden. Aber genau dies tut Bundesverteidigungsminister Jung. Er weiß, dass der geplante Abzugstermin kurze Zeit nach dem Bekanntwerden des Endergebnisses der Stichwahl fällt und möglicherweise noch vor den Ergebnissen der Provinzwahlen, die für lokale Stabilität mindestens genauso wichtig sind. Genau dann abzuziehen, wäre eine Einladung an Störer. Hinter vorgehaltener Hand wird zwar längst gemunkelt, die Bundeswehr werde zu Weihnachten noch nicht zu Hause sein. Aber sowohl die kongolesische als auch die deutsche Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, dass über solche Dinge öffentlich geredet wird. DOMINIC JOHNSON