: UdSSR: Entwurf zu Verfassungsreform
■ Einführung eines Präsidialsystems der wichtigste Punkt Neuer Kongreß der Volksdeputierten würde Präsidenten wählen
Moskau (ap) - In der Sowjetunion soll ein Präsidialsystem eingeführt werden. Aus einer von der sowjetischen Nachrichtenagentur 'Tass‘ am Freitag abend veröffentlichten Zusammenfassung der Entwürfe zu einer Verfassungsreform geht hervor, daß mit der neuen Staatspräsidentschaft künftig umfassende Vollmachten verknüpft sein sollen, darunter die Ernennung der höchsten Regierungsbeamten, der Vorsitz im Verteidigungsrat und die Befugnis, Gesetze zu unterzeichnen.
Den Entwürfen zufolge würde der Staatspräsident in geheimer Wahl von den 2.250 Mitgliedern eines neuzuschaffenden Kongresses der Volksdeputierten gewählt, der einmal jährlich zusammentreten würde. Als sicherer Anwärter auf das neue Amt gilt Michail Gorbatschow. Die Amtszeit des Staatsoberhauptes wäre wie die aller anderen Regierungsbeamten auf zweimal fünf Jahre beschränkt.
Die am Freitag veröffentlichte Zusammenfassung bestätigt, daß Gorbatschow sich mit seiner Forderung nach einer tiefgreifenden Verfassungsreform durchgesetzt hat. Die vollständigen Entwürfe sollen dem sowjetischen Fernsehen zufolge in den Zeitungen veröffentlicht werden. Das Präsidium des Obersten Sowjet werde bis zum 25.November mehrfach die öffentlichen Reaktionen auf die Entwürfe prüfen.
Aus den von 'Tass‘ veröffentlichten Entwürfen ging nicht hervor, ob die Befugnis des Staatspräsidenten, Gesetze zu unterzeichnen, einem Vetorecht für die vom Kongreß der Volksdeputierten und vom Obersten Sowjet verabschiedeten Gesetze gleichkäme.
Der neue Kongreß würde sich aus drei jeweils 750 Deputierte zählenden Gruppen zusammensetzen. Ein Drittel der Deputierten würde von Wahlkreisen gleicher Einwohnerzahl entsandt, ein Drittel nach einem Nationalitätenschlüssel bestimmt und ein Drittel unter Mitgliedern von Interessenverbänden gewählt. Der Kongreß würde aus seinen eigenen Reihen den Obersten Sowjet wählen.
Erstmals ist in den Entwürfen auch ein staatliches Gremium zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vorgesehen. Das neue Komitee könnte jedoch nur dem Kongreß der Volksdeputierten, dem Obersten Sowjet und dem Ministerrat deren Aufhebung vorschlagen.
Am Samstag abend veröffentlichte 'Tass‘ den Entwurf eines neuen Wahlgesetzes. Danach können die Wähler künftig zwischen mehreren Kandidaten entscheiden. Der Entwurf des Wahlgesetzes soll am Sonntag in den Zeitungen veröffentlicht und damit vor der Verabschiedung zur Diskussion gestellt werden.
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