USA IM IRAK, DIE ZWEITE: SO GEWINNEN DIE BESATZER KEINE FREUNDE : Missbrauch von Ali Baba
Der Prozess demokratischer Umerziehung durch die amerikanische Armee im Irak entwickelt sich zügig und spart auch nicht das schwierige Terrain der Strafverfolgung aus. So konnte die norwegische Journalistin Line Fransson letzten Freitag beobachten und fotografisch festhalten, wie amerikanische Soldaten in Bagdad ertappte Plünderer nackt auszogen, ihnen den Satz „Ali Baba – Sündhafte Diebe“ auf die Brust schrieben und sie anschließend eine belebte Straße entlangtrieben.
Der Offizier, der die Strafaktion veranlasst hatte, reagierte auf Nachfragen gelassen. „Ein bisschen öffentliche Beschämung, keine körperlichen Verletzungen, morgen ist alles wieder in Ordnung.“ Die Menschenwürde kommt also erst unter die Räder, wenn geprügelt oder gefoltert wird. Verletzung der Scham und Zurschaustellung der Schande sind Erziehungsmaßnahmen zum Besten der Übeltäter. Wer redet da von der Erklärung der Menschenrechte, den Menschenrechtspakten, den Normen des Völkerrechts, die den Umgang der Besatzungsmacht mit der Zivilbevölkerung regeln? Offensichtlich wurde der Pranger von beteiligten GIs für ein Instrument gehalten, das dem Bewusstseinszustand der Iraker angemessen ist.
Aber auch hinsichtlich der Aufschrift „Ali Baba –Sündhafte Diebe“ zeigte die Strafaktion eine lückenhafte Vorbereitung auf die Aufgaben der Besatzungsmacht. Denn Ali Baba aus Tausendundeiner Nacht war zwar ein Dieb, bereicherte sich aber nur an Diebesgut. Es gelang ihm zudem, eine große, gefährliche, 40 Mann starke Räuberbande auszuschalten. Dies mit Hilfe seiner überaus klugen Sklavin Morgiane, der er zu Freiheit, Geld und einem netten Ehemann (seinem Sohn) verhalf. Wir haben hier also eine rundum positive Identifikationsfigur vor uns, deren Missbrauch zu Zwecken der Anprangerung nicht nur den Abscheu aller Iraker, sondern darüber hinaus den aller Bewunderer Scheherazades hervorrufen muss.
Alles nur ein Einzelfall im Ringen der Koalition um die Seelen der Schutzbefohlenen. Weshalb das US-Kommando den Vorfall offiziell nicht bestätigen wollte. CHRISTIAN SEMLER