US-Wahl in Berlin: Schwarze hoffen auf Respekt
Viele schwarze Berliner hoffen, dass der demokratische Kandidat Barack Obama das Rennen bei den US-Wahlen macht. Dann werde es auch hier dem unterschwelligen Rassismus an den Kragen gehen.
Mit Barack Obama steht das Thema Rassismus wieder auf der politischen Agenda - hier in Berlin. Viele schwarze Berliner beklagen einen alltäglichen unterschwelligen Rassismus. Und sie hoffen, dass dies dank des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten besser wird - egal ob Obama die Wahl gewinnt oder nicht.
"Wenn Obama gewinnt, wird der Respekt Schwarzen gegenüber auch hier steigen", sagt Nelson Obasuyi. Der Nigerianer sitzt in einem kleinen Laden für afrikanische Lebensmittel an der Torfstraße im Wedding und schaukelt den Kinderwagen seiner Tochter Sowu. Neben ihm sitzen sein Freund Peter Okundeye und die Ladenbesitzerin Lilien Ugbogbo. Zwischen Kochbananen und getrockneten Linsen haben sich die Gespräche in den letzten Tagen immer wieder um eine Person gedreht: Barack Obama. Er ist für alle eine Hoffnungsfigur. Denn: "In Berlin gibt es eine unterschwellige Fremdenfeindlichkeit", sagt Obasuyi. Viele Leute würden einfach immer noch nicht begreifen, dass Schwarze mehr als nur Hip-Hop könnten.
Mehr Respekt für Schwarze, das ist auch die Hoffnung von Rose Anne Clermont, wenn sie an den möglichen Wahlsieg Obamas denkt. Die schwarze US-Amerikanerin lebt seit acht Jahren in Berlin. Als freie Journalistin bewege sie sich in jenen gebildeten Kreisen, in denen offener Rassismus keine Rolle spiele. Unterschwellige Vorurteile seien trotzdem immer da, sagt sie. "Es ist ein Unterschied, was Leute nach außen hin sagen und nach innen denken." Für Obama könne dieser unterschwellige Rassismus im "Bradley-Effekt" enden, ist ihre leise Angst. Tom Bradley war ein schwarzer Bürgermeister in Los Angeles und 1982 Anwärter auf das Gouverneursamt in Kalifornien. Obwohl er vor der Wahl in allen Umfragen führte, verlor er knapp gegen seinen weißen Konkurrenten.
"Wir haben noch immer ein Rassismusproblem in der Gesellschaft - und Obama bringt es zurück auf den Tisch", sagt Sharon Otoo. Die Engländerin zieht ihre drei Söhne in Berlin auf und hat immer wieder Erfahrungen mit unterschwelligem Rassismus gemacht. In Obama sieht sie eine Vorbild für ihre Kinder, die es schwer hätten, in Berlin schwarze Identifikationsfiguren zu finden. "Ich bin Teil der schwarzen Minderheit hier in Berlin", sagt sie. "Mit Obama fühle ich mich verbunden, weil er auch zu einer schwarzen Minderheit gehört."
Schwarz, weiß - Mehrheit, Minderheit: Das ist in Berlin trotz der viel gepriesenen Multikulturalität immer noch von Relevanz. Als ein "Symbol für Schwarze in Berlin" beschreibt Hervé Techeumeleu die Rolle Obamas. Der Herausgeber des afrikanischen Magazins LoNam sieht die Diskussion um Schwarze in der Politik an einem historischen Punkt. "Es geht nicht mehr nur um Amerika, es geht auch um uns in Berlin", sagt er. Auch hier würden Schwarze politisch vortan ernster genommen, prophezeit er. Auch, wenn Obama letztendlich verlieren sollte.
Dass Obama verliert, kann sich in dem kleinen afrikanischen Lebensmittelladen keiner vorstellen. Das Geschäft ist jetzt voll von Afrikanern, die wild diskutieren. Nelson Obasuyi schaut in den Kinderwagen: "Meine Tochter repräsentiert die Zukunft. Wenn Obama es schafft, Präsident zu werden, kann sie später auch die Chance haben, Politikerin zu werden." Peter Okundeye stimmt ein in den Traum vom "change", den Obama beschwört. "Vielleicht wird es dann auch in Berlin und ganz Deutschland möglich, dass schwarze Politiker in entscheidende Ämter kommen."
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