US-Schriftsteller Kinky Friedman: "Obama ist ein schwacher Anführer"
Kinky Friedman schreibt Kriminalromane, tourte mit Bob Dylan und wollte Gouverneur von Texas werden. Ein Gespräch über Politik, Lügen und Verbrechen.
taz: Herr Friedman, Anfang November wird ein Teil der US-amerikanischen Kongressabgeordneten neu gewählt. In einigen Bundesstaaten werden Kandidaten von der sehr konservativen Tea-Party-Bewegung stark unterstützt. Was halten Sie von diesen Leuten?
Kinky Friedman: Die Tea Party ist heute das, was die Demokraten früher waren. Es ist derselbe Geist, der sie antreibt. Und im Moment haben die Demokraten nichts vorzuweisen. Die guten Leute von früher, Barbara Jordan und Anne Richards und Molly Ivans, die sich für andere Menschen eingesetzt haben, sind inzwischen nicht mehr da. Präsident Obama, nun, das ist eine Form von Regierung, die sehr ich-bezogen ist. Ich finde nicht, dass er der richtige Mann für diesen Job ist. Er war ein großartiger Kandidat, aber er ist ein schwacher Anführer.
Sie wollten ja selbst mal ein Anführer werden, haben sich als Kandidat für das Gouverneursamt in Texas zur Verfügung gestellt.
Vor vier Jahren habe ich unabhängig von allen Parteien als Gouverneur kandidiert. Zwar habe ich nicht so viele Stimmen erhalten wie der Republikaner Rick Perry …
… er bekam 39 Prozent der Stimmen, Sie 13 Prozent …
… aber immerhin konnte ich die Menschen aufrütteln, ihnen klarmachen, dass es Zeit ist für eine Veränderung. Damals mussten die Leute entscheiden, ob sie einen Mann wählen, der gut Witze erzählen kann, oder ob sie einen Mann wählen, der ein Witz ist. Sie wollten Rick Perry.
Vier Jahre später - und eine neue Gouverneurs-Wahl steht Texas bevor. Werden Sie noch mal antreten?
Ich stehe nicht mehr zur Verfügung, langsam werde ich alt - ich bin bereits 65! Heute haben wir die Wahl zwischen einem Mann aus Plastik und einem aus Papier: Die Leute stimmen entweder für den früheren Bürgermeister von Houston, den Demokraten Bill White, weil sie die Nase voll von Rick Perry haben. Die anderen sind unzufrieden mit Obamas Politik und wählen deshalb wieder Perry. Perry wird so lange im Amt bleiben, bis kein Geld mehr übrig ist - aber niemand wählt ihn aus Überzeugung!
Was müsste sich ändern?
Wissen Sie, das amerikanische Volk hat ein Problem. Unser System ist kaputt, es arbeitet für irgendetwas, aber nicht mehr für die Menschen. Vielleicht sollten wir einfach direkt die Lobbyisten wählen und diese ganzen Stellvertreter einfach überspringen. Wir brauchen keine Politiker mehr, weil die ja sowieso nichts bewegen können. Die, die alles entscheiden, das sind die Lobbyisten. Und wenn schon Politiker, dann würde ich ihre Amtszeit zweiteilen: Die erste Hälfte im Büro, die zweite im Gefängnis.
Glauben Sie tatsächlich, dass alle Politiker Verbrecher sind?
Als Politiker muss man gut lügen können. Viele wundern sich, warum es immer wieder so viele Skandale gibt. Politiker, von denen man denkt, sie wären brave Familienväter, sind plötzlich homosexuell. Diese Menschen haben ihr ganzes Leben lang gelogen. Die können das - und sie sind gut darin.
Haben Sie deswegen der Politik den Rücken zugekehrt? Weil Sie ein schlechter Lügner sind?
Ich wünschte, ich könnte gut lügen, aber ich kann es nicht. Und ich möchte es auch nicht. Ich habe gelernt, dass es ein gewaltiger Abstieg ist vom Musiker zum Politiker. Nur schlechte Menschen werden von der Politikwelt angezogen. Gute Menschen nicht. Wer möchte schon so was über sich in der Zeitung lesen: Du bist ein Rassist, veruntreust Staatsgelder, bist kriminell. In der Musik kann man die Wahrheit sagen, in der Politik nicht.
Was machen Sie stattdessen?
Ich kümmere mich um Straßenhunde, auf meiner Ranch in Kerrville, der Utopia Animal Rescue. Wissen Sie, es ist edel, Gutes zu tun. Aber es ist noch edler, anderen zu zeigen, wie man Gutes tun kann.
Fühlen Sie sich als Vorbild?
Viele junge Leute mögen mich. Aber ich mag die jungen Leute nicht sonderlich, vielleicht weil ich ihnen erst zeigen muss, wie es ist, wenn man auf der Außenseite steht und nach innen sieht. Das ist übrigens auch in der Kunst sehr wichtig. Ein Künstler muss von außen auf die Dinge sehen.
Heute schreiben Sie Bücher, arbeiten am Theater. Vor vierzig Jahren waren Sie bekannt als jüdischer Countrymusiker, der gemeinsam mit den Texas Jewboys Songs wie "They aint makin Jews like Jesus anymore" gespielt hat. Mögen Sie das Schreiben heute lieber als die Musik?
Ich mache immer noch beides. Was mir beim Schreiben aber fehlt, sind die Menschen. Schreiben ist manchmal eine recht einsame Angelegenheit, deshalb habe ich ein Buchprojekt gemeinsam mit Willie Nelson: "The 12 Steps of Christmas". Und eins gemeinsam mit dem Schauspieler Billy Bob Thornton: "The Billy Bob Papers". Gerade entsteht ein Theaterstück über mich, "Becoming Kinky - the world according to Kinky Friedman", das in New York und Houston aufgeführt werden soll. Außerdem arbeite ich noch an einem nichtfiktionalen Buch über den Privatdetektiv Steve Rambam, der übrigens auch Naziverbrecher gejagt hat …
… eine Figur, die auch in Ihren früheren Büchern immer wieder auftaucht.
Genau, aber es gibt ihn wirklich. Ich habe den Menschen schon etwas zu geben mit dem, was ich da mache. Und halte mich dabei an den großen Kriminalautor Raymond Chandler: Der sagte einmal, eigentlich ist alles in der Literatur ziemlich wertlos. Bis auf das, was zwischen den Zeilen steht. Das, was ich gelungen finde an meiner Arbeit, das steht zwischen den Zeilen.
Haben Sie nach dem geplatzten Gouverneur-Traum noch einen weiteren großen Plan für die Zukunft?
Oscar Wilde hat einmal gesagt, die Gesellschaft vergibt oft dem Verbrecher, aber niemals dem Träumer. Deshalb bin ich vorsichtig mit dem Träumen. Aber wenn ich genug Geld zusammenkriege, würde ich es noch einmal versuchen, Gouverneur von Texas zu werden. Ich glaube, viele Menschen hier sind reif für eine Veränderung.
Was muss sich ändern in Texas?
Ein großer Teil der Vereinigten Staaten wurde im Zuge der Political Correctness homogenisiert. Trivialisiert. Keimfrei gemacht! Ich bedauere das sehr. In Texas gibt es noch Leute, die normal geblieben sind. Und nein, Texas ist kein Hinterwäldlerstaat! Wir sind sehr modern, gleichzeitig hängen wir auch an alten Traditionen. Es gibt aber Dinge, die hier dringend verändert werden müssen?
Welche?
Ich möchte, dass die Todesstrafe abgeschafft wird, und habe eine Kampagne dagegen gestartet. Hier werden mehr Menschen getötet als im ganzen Rest von Amerika zusammengenommen, und manchmal töten wir Unschuldige. Und so sage ich zu den Christen: Verzeiht, dass ihr das von einem Juden hört, aber denkt daran, wer euch das gelehrt hat: "Du sollst nicht töten." Wenn Texas die Todesstrafe abschafft - die ganze Welt würde aufstehen und applaudieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen