US-Präsidentenwahl mit Wahlmaschinen: Wählerwille oder Virenwillkür
Tausende Wahlmaschinen sollen bei der Präsidentenwahl im November zum Einsatz kommen. Offenbar weist die Software aber schwerwiegende Mängel auf. Vorsorglich wird schon mal geklagt.
Wie sicher sind die vielen tausend elektronischen Wahlmaschinen, die in den USA auch bei der Präsidentschaftswahl im November den Wählerwillen aufzeichnen sollen? Das Thema kocht in diesen Tagen neuerlich hoch - diesmal im Bundesstaat Ohio, wo sich ein Hersteller von Wahlmaschinen und die Regierung eine harte gerichtliche Auseinandersetzung liefern.
Im Mittelpunkt von Klage und Gegenklage steht, ob der Wahlmaschinenhersteller Diebold Election Systems, der sich zwecks Imageverbesserung seit letztem Jahr "Premier Election Solutions" nennt, seinen Vertragsverpflichtungen nachgekommen ist. Letzteres wollte das Unternehmen gerichtlich nachweisen lassen und startete deshalb eine Feststellungsklage gegen den Wahlausschuss des größten Bezirks sowie die Innenministerin von Ohio, Jennifer Brunner. Letztere entschied sich daraufhin zur Gegenklage. "Basierend auf den objektiven Beweisen glauben wir, dass die Geräte von Premier nicht entsprechend der Vertragsbedingungen und der Gesetze des Bundesstaates Ohio arbeiten", ließ die Demokratin Brunner mitteilen.
Die Vorwürfe wiegen schwer: In mindestens 11 von 44 Wahlkreisen soll es teils große Probleme gegeben haben. So gingen laut der Klage Stimmen verloren, als die Wahlhelfer bei Wahlgängen im Jahr 2006 versuchten, die Inhalte von Speicherkarten auf die zur Auswertung verwendeten Zentralrechner hochzuladen. Die Speicherkarten sind von große Bedeutung: Sie stecken in den einzelnen Wahlmaschinen, auf denen die Wähler ihre Stimmen abgeben, und speichern den Wählerwillen. Lassen sich diese Daten nicht korrekt übertragen, wird das Endergebnis verfälscht. Erst Stunden später gelang es den Wahlhelfern, die verlorenen Stimmen wieder zu finden. Insgesamt sollen dennoch mindestens 1000 Ausdrücke des Wählerwillens nicht gezählt worden sein.
Die Erklärung, die Premier laut Gerichtsdokumenten für das Problem anfänglich hatte, ließen Experten mit dem Kopf schütteln: Angeblich sei eine Anti-Virus-Software schuld, dass die Stimmzählung nicht funktioniert habe. Die Wahlhelfer sollten diese doch einfach abschalten, bevor sie die Daten hochluden. Jeff Ortega, Sprecher des Innenministeriums von Ohio, sagte dazu, dieser Vorschlag sei eine "gefährliche Idee". "Das geht gegen jeden weitläufig akzeptierten Computersicherheitsstandard." Die Zentralrechner sind zwar nicht mit dem Internet oder anderen offenen Netzwerken verbunden, doch müssen sie gegen Viren geschützt werden, die durch hochgeladene Dokumente auf sie gelangen könnten.
Premier, eine Tochter des Geldautomatenkonzerns Diebold, hat inzwischen weitere Probleme mit den Wahlmaschinen eingeräumt. Demnach kann der Programmfehler, der zur Nichtzählung von Stimmen führt, auch ohne Anti-Virus-Software auftreten. Und betroffen ist längst nicht nur Ohio: Geräte, die das Unternehmen in 34 US-Bundesstaaten verkauft hatten, könnten den Fehler enthalten. Eine direkte Lösung scheint es nicht zu geben - es obliegt allein den Wahlhelfern, das Problem händisch auszubügeln.
Selbst im Bundesstaat Ohio, der gegen Premier klagt, sieht man derzeit keine Alternative gegen die fehleranfälligen Wahlmaschinen: Auch bei der Präsidentschaftswahl im November will man die Geräte erneut einsetzen. Die Worte, die Innenministerin Brunner zur Beruhigung vorbrachte, klangen dementsprechend hohl: "Wir werden die Situation weiter im Auge behalten und die Wahlausschüsse mit entsprechenden Anweisungen und Unterstützung ausstatten."
Es dürfte also auch in diesem Jahr wieder eine heiße US-Wahl werden: Auch in Florida, dem umkämpften Bundesstaat, dank dem Präsident George W. Bush anno 2000 gewann, wurden ebenfalls inzwischen Probleme mit der Premier-Technik gemeldet.
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