US Open: Ohne jeden Humor
Tommy Haas verliert bei den US Open gegen den Russen Nikolai Dawydenko, der ihn mit seiner Solidität zermürbt.
NEW YORK taz Es war so wie draußen auf dem Hof beim Spiel gegen das Garagentor. Dieses Tor ist immer zur Stelle, es regt sich nicht, hat keinen Humor und kein Gesicht, und je härter man es attackiert, desto schneller kommt der Ball zurück. Wer jemals versucht hat, gegen ein Garagentor zu gewinnen, der weiß, wie sich Tommy Haas im Spiel gegen Nikolai Dawydenko fühlte. "Jedes Mal, wenn ich versucht hab, irgendwas anders zu machen oder irgendwie da rauszukommen", sagte er nach der Niederlage gegen den Russen, "dann hatte er eine Antwort." Zwei Tage nach dem grandiosen Spiel gegen James Blake stand er ernüchtert vor dem Tor und sah nur eines: Da komme ich nicht rein. Vor einem Jahr hatte er an gleicher Stelle in fünf Sätzen gegen Dawydenko verloren, diesmal waren es nur drei (3:6, 3:6, 4:6). Damals war er enttäuscht, weil er mit ein wenig Glück hätte gewinnen können, diesmal blieb ihm nichts anderes übrig, als die Überlegenheit des knochensoliden Spiels des Gegners anzuerkennen.
Vielleicht hätte die Geschichte anders laufen können, wenn er gleich zu Beginn die Möglichkeit genutzt hätte, 3:0 in Führung zu gehen und damit in gewisser Weise den Ton vorzugeben. Aber das ließ Dawydenko nicht zu, verkürzte auf 1:2, und aus dieser Szene entwickelte sich das Muster des Spiels. Mitte des zweiten Satzes gab es ein paar stimmungsvolle Momente, in denen es so aussah, als hätte Haas den Code geknackt, und als die Leute im Stadion dachten: ja, so hat er gegen Blake gewonnen. Aber kaum war der Jubel für einen Hechtsprung mit Volleypunkt verklungen, da machte sich wieder die graue Ernüchterung breit; das Tor stand da und wich nicht von der Stelle. Und Haas sah aus, als hätte er es am liebsten eingetreten.
In der Vergangenheit hatte er sich ein paar Mal uncharmant über Dawydenkos Spielweise geäußert, diesmal sagte er: "Was er macht, das macht er richtig. Viele, die ihn draußen rumlaufen sehen, können nicht glauben, dass er einer der besten Tennisspieler der Welt ist. Ich manchmal auch nicht. Ich hab keinen Hut, aber ich ziehe ihn auch diesmal wieder für Nikolai." Zu den Dingen, die er von den US Open 2007 mitnehmen wird, gehört die Erinnerung an das fantastische Spiel gegen Blake und die Tatsache, nach der Unsicherheit zu Beginn wegen seiner Schulter überhaupt durchgehalten zu haben.
Und nun? Unmittelbar nach der Niederlage jedenfalls fiel ihm die Vorstellung nicht leicht, bald wieder gegen diesen einen und ein paar andere Russen spielen zu müssen. Freitag in zwei Wochen steht das Halbfinale im Davis Cup an, und mit sarkastischem Unterton sagt Haas: "Ich freu mich tierisch auf Moskau und auf Dawydenko." Die deutsche Mannschaft wird sich Mittwoch der kommenden Woche in München treffen. Zum Entspannen wird Haas erst mal ein paar Tage nach Los Angeles fliegen, wo seine Freundin zu Hause ist. Und danach? "Das sehen wir dann." Klingt nicht so, als könne er es kaum erwarten mit Moskau.
Nikolai Dawydenko wird noch ein paar Tage in New York bleiben und wie vor einem Jahr am Super-Samstag im Halbfinale gegen Roger Federer spielen. Der war beim traditionellen Sieg gegen den armen Andy Roddick (7:6, 7:6, 6:3) in geradezu unanständig guter Form. Aber Dawydenko weiß ohnehin, was ihn erwartet; von neun Spielen gegen Federer hat er noch keines gewonnen. Sieht so aus, als besäße der Meister die Fernbedienung für das Garagentor.
DORIS HENKEL
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