■ US-Journalisten kämpfen gegen die Sauregurkenzeit: Aus Hollywood wird Heidiwood
New York (dpa/taz) – Karikaturen, in denen das berühmte Hollywood-Zeichen an einer Hügelkette in Los Angeles durch „Heidiwood“ ersetzt wird, geben überraschend präzise den gegenwärtigen Zustand der Traummetropole wieder: Es gibt dort kaum ein anderes Gesprächsthema als Heidi Fleiss. Die „Hollywood-Madam“ und mutmaßliche Chefin eines Callgirl- Ringes für die Prominenten der Filmmetropole wird bei jedem öffentlichen Auftritt von weit mehr Fernsehteams und Fotografen umlagert als die prominentesten Filmstars.
Die 27jährige Arzttochter bleibt gegen 100.000 Dollar Kaution auf freiem Fuß. Die nächste Verhandlung wurde für den 10. September angesetzt, und das halten die Journalisten für eine große Schweinerei: Denn der August ist auch in Amerika Sauregurkenzeit, und da sollte sie möglichst jeden Tag vor Gericht stehen und möglichst ausführlich über ihre Kunden aussagen.
Da es so nicht ist, müssen für die Leser jeden Tag neue Einzelheiten gebracht werden, auch wenn es gar keine Informationen gibt. Angesehene Kolumnisten erklären, daß Fleiss auf deutsch eben mit fleißig zu tun hat und daß die geschäftstüchtige Heidi bei den hart arbeitenden Hollywood-Stars die Marktlücke erkannt habe: Es ist wesentlich zeitsparender, per Telefon eine gut ausgebildete Prostituierte zu bestellen als Blumen zu schicken, Dinner- und Hotelreservierungen zu machen und dann auch noch Namen zu behalten.
„Heidis kleines Hurenhaus“ könne auch, schreibt die prominente Journalistin Suzanne Fields ironisch, als „feministischer Triumph verstanden werden: Eine Frau betreibt ein erfolgreiches Unternehmen, beschäftigt eine Menge anderer Frauen, erfreut die meisten Kunden“.
Der elitären New York Times auf der anderen Seite des Kontinents war die Geschichte einen Leitartikel wert, der sich besonders mit der Faszination des Namens der Beschuldigten und dem Umfeld aus Filmstars und Studio- Gewaltigen beschäftigte. „Wenn ihre Kunden Autoverkäufer aus Kansas City oder Fleischer aus Jersey City gewesen wären und wenn sie – sagen wir mal, Louise – geheißen hätte, hätte die Story irgendwo zwischen dem Horoskop und den Stellenanzeigen für Haushaltshilfen gestanden ... aber wir reden hier über Heidi Ho!“
Von den Schönen und Reichen will natürlich niemand mit der Hollywood-Madam auch nur in Berührung gekommen sein. Inzwischen gibt es schon Hollywood- Stars, die den Zeitungen per Fax mitteilen, daß sie Heidis Dienste nie in Anspruch genommen hätten. Der übereinstimmende Tenor ist stets „ich mußte noch nie für Sex bezahlen“.
Aber dieser Mythos läßt sich auch nicht aufrechterhalten. Angeblich beschäftigen sich sogar Soziologen der Universität in Los Angeles damit, wie es kommt, daß sich intelligente, schöne, äußerst begehrenswerte Frauen in immer größerer Zahl einfach weigern, sich den Filmstars für ein rasches Abenteuer hinzugeben. Die Filmstars haben dafür kein Verständnis.
Umgekehrt, meinen wieder andere „Kulturkritiker“, könnte es natürlich auch so sein, daß die Stars nur mögen, was teuer ist. Wer ein paar hunderttausend Dollar für seinen Lamborghini bezahlt habe und eine Uhr am Handgelenk trage, die so teuer ist wie ein Einfamilienhaus für Normalbürger, der wolle auch das Bewußtsein haben, daß nur eine teure Frau eine gute Frau ist. 2.500 Dollar für eine Stunde Sex – das ist was ganz anderes, als einem Mädchen einen Kir Royal zu spendieren und dann mal eben in ein Motel zu gehen. Helmut Räther
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