piwik no script img

■ URDRÜ's WAHRE KOLUMNEGekürt, gewarnt, erwischt

Alles spricht über Karl-Heinzens Vorsatz, Bremer Kulturpolitik als Deputationssprecher nach seinem „liberalen Kunstverständnis“ zu betreiben und wartet auf das Namensverfahren zum ersten Hans-Grimm- Gymnasium oder Walter-Flex- Freizi. Im Windschatten wurde die Heilige Elisabeth Motschmann zur Sprecherin der Wissenschaftsdeputation gekürt. Wann wird die Evolutionstheorie im Biologie-Unterricht durch die Schöpfungsgeschichte ersetzt und kommt endlich das allgemeine Schulgebet?

Schön, daß die Teilnehmer der Bremer Aktion „Reservisten verweigern sich“ Inzwischen fast alle als Kriegesdienstverweigerer anerkannt wurden. Bedauerlich, daß in diesem Zusammenhang wieder für den Schnack „Alle Soldaten sind potentielle Mörder“ die Trommel gerührt wird. Immerhin haben Mörder für ihr Tun zumeist einen sehr viel persönlicheren Grund als Sold, Wehrpaß oder Ordensspange.

Das ganze Leben wird zur Game-Show. Selbst der unschuldige Genuß von Ente-Chop-Suey beim Steintor-Chinesen findet seinen spielerischen Höhepunkt, wenn die rotharige Tresen-Queen dem Esser eine ming-dynastische Vase vor die Nase hält, in der echt chinesische Ping-Pong-Bälle mit allerdings arabischen Ziffern rollen. Grabscht man nun jene Glückskugel, die das Datum des jeweiligen Tages trägt, so übernimmt das Haus die Zeche. Die Anonyme Spielerberatung des Hauptgesundheitsamtes warnt vor dieser Lotterie mit dem Beispiel eines Spielsüchtigen: Er mußte stationär behandelt werden, nachdem er das Glück an einem einzigen Tag mit der Vertilgung von 14 Menues herausgefordert hatte, um immer noch eine Glückskugel zu bekommen. Vergebens, nebenbei gesagt...

Senator Friedrich van Nispen besucht heute als Schirmherr die Gala des Pferdesport-Festivals in der Stadthalle. Angeblich soll er bei dieser Gelegenheit für eine Gage zugunsten der Sportleraktion „Keine Macht den Drogen“ mit frischen Pferdeäpfeln jonglieren. Man mag dies genauso beschissen finden wie seine Junkie-Hatz am Sielwall, aber vielleicht bleibt ja was hängen!

Auf eine Karriere nach der Politik scheint sich indessen schon Klaus Wedemeier vorzubereiten. Der Präsident des Senats wohnt heute dem Festakt der Magdeburger Versicherungsgruppe in der Oberen Rathaushalle bei. Rechercheure des alltäglichen Wahnsinns vermuten darin bereits Wedemeiers Entree als Gegenpol der Magdeburger zum Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Demnächst im Frühstücksfernsehen von RTL-Plus?

Zahnärzte go Hollywood. So formulieren bremische Dentisten keck in eigener Sache und präsentieren very proudly einen Werbespot für die Ausbildung zur Zahnarzthelferin, der bis Ende März in den hiesigen Lichtspielhäusern laufen soll. Kammerpräsident Dr. Peter Boehme verspricht den Cineasten „pfiffige Szenen aus dem Praxisalltag einer Zahnarzthelferin, auch mit privaten Situationen“. Besonders witzig sicher der urkomische Augenblick, wenn Chef und Helferin wechselseitig ihre Kontoauszüge studieren! (Achtung: Wer Sozialneid weckt und fördert oder Tatsachen in Umlauf bringt, die geignet sind, solchen zu erregen, wird mit dem Werbespot im Endlos-Trailer bestraft, bis daß der Zahnschmelz scheidet).

Langeweile? Sinnkrise? Und nicht einmal eine eigene Stasi-Akte? Unterhaltung in Ihr Leben bringt ein Job als Schöffin oder Schöffe im hiesigen Amtsgericht. Meldungen interessierter Laien-Richterinnen nimmt beispielsweise der Landesverband der Grünen bis zum 15. Februar entgegen. Toi, toi, toi für Ihre Bewerbung, vielleicht trifft man sich ja mal vor Gericht.

Ulrich Reineking-Drügemöller

P.S.: „Asylant als Dealer erwischt“, das las man wohl schon mal. Aber „Dealer als Asylant erwisht“, das war gestern Premiere. Es stand in Bild.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen