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Archiv-Artikel

UNION UND SPD WOLLEN SPAREN – UND IGNORIEREN DIE WIRKLICHKEIT Hartz IV kann man vergessen

Der erlauchte Kreis der Koalitionsverhandler steht offensichtlich unter Druck: Ergebnisse müssen her! Und sei es nur irgendeine Zahl. Zum Beispiel 4 Milliarden Euro. So viel wollen Union und SPD nun beim Arbeitslosengeld II sparen. Aber wie? Das blieb gestern weitgehend ein Geheimnis, wie die Volksparteien selbst zugaben. Schon die Mechanik dieser Politik irritiert: Man verständigt sich nicht auf Ziele oder Inhalte, sondern nur noch auf Haushaltsansätze.

Das kommt bekannt vor. Auch der scheidende SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat für 2005 einfach eine Zahl festgesetzt, wie viel das Arbeitslosengeld II kosten darf. Nämlich 14,6 Milliarden Euro. Sonst wäre der Bundeshaushalt mit der EU-Defizit-Richtlinie kollidiert. Leider hielt sich die Realität nicht an die strengen Vorgaben; die Zahl der Bedürftigen und die Ausgaben stiegen einfach weiter an.

Auch diesmal werden die Parteien erleben, dass ihre Sparziele an der Wirklichkeit vorbeischießen. Die „Fünf Weisen“ haben in ihrem Gutachten zur ökonomischen Entwicklung gestern prognostiziert, dass die sozialversicherungspflichtigen Stellen im nächsten Jahr um weitere 200.000 schrumpfen werden. Das bedeutet: mehr Bedürftige, weniger Beitragszahler, steigende Defizite. Daran wird die Sparrhetorik der Großkoalitionäre nichts ändern.

Und es ist Rhetorik. Denn bei den Arbeitslosen lässt sich kaum noch sparen. Sie wurden bereits weitgehend auf das Existenzminimum abgesenkt. Auch die beliebte Idee, dass sie alle erst einmal ihre Gebrauchtwagen verkaufen müssen, würde nichts bringen – außer viel Verwaltungsaufwand. Die Politik verschwendet nur Zeit, wenn sie die Arbeitslosen als „Sozialschmarotzer“ diffamiert. Die Parteien werden einer zwingenden Logik nicht entkommen: Es ist nicht möglich, die Hauptlast des Staates nur 26 Millionen regulär Beschäftigten aufzubürden. Die großen Verdiener und die Vermögenden müssen sehr viel stärker herangezogen werden. Und eins ist sicher: Die Reichensteuer der SPD wird dafür keinesfalls reichen. ULRIKE HERRMANN