UNFALLFOLGEN : Der junge Apotheker
Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Alle wissen das, ich auch, klar. Ich kann mich trotzdem nicht dazu durchringen, zum Kaffeekochen meine Wohnung zu verlassen, nur damit es sicherer wird. Zumal es draußen keinen Herd gibt.
Also stand ich am Sonntag wie immer in der Küche, kochte Kaffee und zog mir eine gigantische Brandwunde zu, als ich über den Espressokocher griff. Tausend Grad heißer Wasserdampf verschmurgelte einen beträchtlichen Teil meines Unterarms. Den ganzen restlichen Tag heulte ich rum und wälzte mich in Selbstmitleid, wobei ich den Arm immer hochhalten musste, weil er so schrecklich wehtat. Duschen ging auch nicht richtig.
Ich rief meine Medizinerfreundin Viola an und sie sagte: „Geh zum Arzt oder wenigstens zur Apotheke, sie sollen dir Jodsalbe geben, das hilft.“
Am Montag ging ich zur Apotheke, inzwischen hatte sich eine riesige Brandblase gebildet, war wieder aufgeplatzt, äh, na ja, und so weiter, offenes Fleisch, widerwärtig. Der junge Apotheker fragte: „Wie schlimm ist es denn? Zeigen Sie mal her.“ Ich sagte: „Schlimm. Soll ich zeigen?“ Er: „Ja“. Ich packte meinen Unterarm aus, er schaute hin, zuckte zusammen und zog Luft durch die zusammengebissenen Zähne. „Ich hol mal was“ sagte er und sauste zu den Regalen.
Er versorgte mich allerliebst. Jod und Wundgel, sterile Kompressen und Mullbinden. Nach einer Woche war die Wunde schon etwas verheilt, aber das Jodfläschchen war leer, und ich ging wieder zur Apotheke. Derselbe Typ bediente mich und sagte gleich: „Ach hallo, wie geht es Ihrer Verbrennung?“ Ich freute mich, dass er mich gleich erkannt hatte. „Schon besser“, sagte ich. „Aber tut noch weh. Soll ich mal zeigen?“ Er schaute mich an: „Ähm, muss nicht. Warten Sie. Ich gebe Ihnen was mit.“ Wir haben doch eine Kultur des Wegguckens, dachte ich.
MARGARETE STOKOWSKI