UN-Klimakonferenz in Poznan: Klimaschützer testen positives Denken
Es gibt viel Vorschläge, aber keinen klaren Verhandlungsplan. 11.000 Delegierte arbeiten seit Montag in Polen an einem weltweiten Klimaabkommen.
Rund eintausend neue Abfalleimer in der Innenstadt, kostenloser Shuttleservice von jedem Hotel zum Messezentrum. Wer Glück hat, kann mit einem der Hybridbusse vorfahren, die sich Poznan aus deutschen Städten wie Dresden geliehen hat. Für rund 3 Millionen Euro hat sich die wichtigste Messestadt Polens herausgeputzt, um die knapp 11.000 Teilnehmer der UN-Klimakonferenz mit möglichst grünem Gefühl über die Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe verhandeln zu lassen.
Doch natürlich reicht ein wenig mehr Ökologie für ein paar Tage nicht. Schließlich geht es darum, in den nächsten zwei Wochen das Fundament eines weltweiten Klimaschutzvertrags für das kommende Jahrzehnt zu legen. 2007 wurde auf Bali vereinbart, dass dieser 2009 unterschrieben werden soll.
"Wir haben die Hälfte geschafft", rief der polnische Umweltminister Maciej Nowicki den Delegierten bei der Eröffnung zu. Man könnte auch sagen, die Hälfte ist um, es wird langsam Zeit. Aber als Verhandlungsleiter muss sich Nowicki in Diplomatie und Optimismus üben. Er glaubt an einen Erfolg der Konferenz, warnt aber auch davor, sich von Partikularinteressen leiten zu lassen
Davon gibt es jedoch viele: Europa drängt auf möglichst verbindliche Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen für die Zeit nach dem Kioto-Protokoll, also ab 2013. Das wollen die Schwellenländer nicht, schließlich haben die Industrieländer für ihren Reichtum jahrzehntelang Dreck in die Luft geblasen. Die Entwicklungsländer hingegen wollen Geld und Technologie, um sich gegen den Klimawandel zu wappnen, was die reichen Staaten grundsätzlich begrüßen. Doch sobald es um konkrete Zahlungen und Patente geht, wird es schwierig. Die auf Bali eingerichteten Fonds zur Finanzierung von Dammbauten und erneuerbarer Energie sind hoffnungslos unterfinanziert. Und dann ist da noch das Problem der immer kleiner werdenden Waldflächen, vor allem in den Tropen.
Dabei ist es ja nicht so, dass nicht schon viel geredet wurde. Allein im vergangenen Jahr trafen sich internationale Arbeitsgruppen in Bangkok, Bonn und Accra, produzierten auf insgesamt 715 Seiten Vorschläge, wie man dem Klimawandel begegnen könnte. Mittlerweile wurde das Werk auf 82 Seiten zusammengekürzt. Das ist immer noch zu viel für einen klaren Verhandlungsplan, der am Ende in Poznan herauskommen soll. Damit das gelingt, sollten sich die Delegierten auf die Themen konzentrieren, bei denen eine Lösung nahe ist, und keine Zeit mit Fragen verschwenden, bei denen sich kein Fortschritt zeigt. Diesen Appell richtete der Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, an die Delegierten. Er verwies darauf, dass etwa die Arbeitsgruppen zum Technologietransfer in die Entwicklungsländer sehr weit seien, jetzt müssten noch die Finanzierungsfragen geklärt werden. "Die Uhr tickt", mahnte er und rief dazu auf, einen "Gang höher zu schalten".
Und das ausgerechnet unter der Verhandlungsführerschaft von Polen? Umweltschützer, wie zum Beispiel Germanwatch, verwiesen darauf, dass Polen, dessen Energieversorgung zu über 60 Prozent an der Kohle hängt, bei den Verhandlungen des europäischen Klimapakets auf die Bremse tritt. Ministerpräsident Donald Tusk wehrte sich gegen diese Vorwürfe und betonte in seiner Eröffnungsrede, dass Polen seit den 90er-Jahren seinen Kohlendioxidausstoß um 30 Prozent gesenkt habe. Dies sei nicht nur dem Zusammenbruch der alten Kombinate zuzurechnen, auch in den Wachstumsphasen nach der Wende seien die Emissionen gesunken.
Vor Journalisten betonte Tusk, dass er nicht an den grundsätzlichen Reduktionszielen des EU-Klimapakets rüttle. Es gehe aber darum, die polnischen Kohlekraftwerke nicht unrentabel zu machen und den Strompreis über den Emissionshandel nicht anfällig für Preistreiberei durch Spekulanten zu machen. Er forderte eine gerechte Lastenverteilung in der EU, über die er am 6. Dezember in Danzig mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy und anderen Regierungschefs reden werde. Was er ihnen als Kompromiss anbieten werde, sagte Tusk nicht. Etwas mehr als neue Abfalleimer und geliehene Hybridbusse wird es aber sein müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag