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Archiv-Artikel

UMWELTMINISTER TRITTIN KNICKT ERNEUT VOR ATOMINDUSTRIE EIN Kritik unerwünscht

Für die Energie Baden-Württemberg (EnBW) war’s ein heiß ersehntes Weihnachtsgeschenk. Rechtzeitig zum Heiligabend präsentierte Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) die neue Reaktorsicherheitskommission: Eberhard Grauf wird nicht mehr darin vertreten sein.

Grauf nämlich war bis Sommer Sicherheitschef im EnBW-Atomkraftwerk Neckarwestheim. Dann wurde er rausgeworfen, weil er seinem Arbeitgeber einen zu laxen Umgang mit den Sicherheitsvorschriften vorgeworfen hatte. Dass die EnBW seit diesem Vorfall kein Interesse mehr daran haben konnte, ihren Exmitarbeiter mit bestem Insiderwissen weiterhin in einer Kontrollinstanz sitzen zu haben, ist leicht zu verstehen.

Fraglich ist nun, warum auch Trittin sich die EnBW-Interessen zu Eigen machte. Noch im Sommer hatte er sich hinter Grauf gestellt – und Trittins eigene Fachabteilung im Ministerium hatte alles versucht, um den Reaktorexperten weiterhin als kompetenten Ratgeber des Ministeriums zu halten.

Die Sachlage lässt nur einen Schluss zu: Trittin ist vor der EnBW eingeknickt. Nicht auszuschließen, dass deren Chef Utz Claassen den Umweltminister auf Linie brachte – schließlich sagt man den beiden Niedersachsen ein gutes persönliches Verhältnis nach. Auch könnte Trittin sich gegenüber Claassen erkenntlich zeigen wollen, da die EnBW den Atomausstieg inzwischen mehr unterstützt als die anderen drei großen Stromkonzerne. Und schließlich wäre auch die Fußball-WM 2006 als Grund denkbar. Dort nämlich ist die EnBW einer der Hauptsponsoren. Und eine Bundesregierung, die das Glück hat, ein solches Event als Vorwahlkampf nutzen zu können, verscherzt es sich nicht gern mit den zahlungskräftigen Unterstützern.

Alles Spekulationen, durchaus. Doch unabhängig von Trittins Gründen: Die Entscheidung gegen Grauf ist auch in der Sache falsch. Was kann denn einer Kommission, die sich um die Sicherheit einer hochbrisanten Technik sorgt, Besseres passieren, als einen Experten wie Eberhard Grauf in ihren Reihen zu haben? Er hat immerhin bewiesen, dass ihm die Sicherheit des Reaktors Neckarwestheim wichtiger war als sein eigener Job.

Apropos Weihnachtsgeschenk: Die Meldung zur Reaktorsicherheitskommission verbreitete das Umweltministerium am Nachmittag vor Heiligabend – die Medien konnten also das Thema nicht mehr mittels eigener Recherche aufarbeiten. Zudem sollte die brisante Meldung im Weihnachtstrubel untergehen. Auch das sagt viel über die Entscheidung Trittins. BERNWARD JANZING