UMWELTGIFTE: Marine macht krank
Jahrelang hatten MitarbeiterInnen der Marineoperationsschule in Bremerhaven Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz. Jetzt wird saniert.
Kopfschmerzen, Übelkeit, brennende Augen. Die Liste der Beschwerden ist lang und reicht mindestens bis ins Jahr 2003 zurück: In der Marineoperationsschule in Bremerhaven beklagten sich MitarbeiterInnen wiederholt über Gesundheitsprobleme und das Raumklima in einem Lehrgebäude. Betroffene wurden jahrelang nicht ernst genommen und für psychisch krank erklärt. Vor zwei Jahren dann ging alles ganz schnell, die damals zuständige "Wehrbereichsverwaltung Nord" sah dringenden Sanierungsbedarf. Nur die Betroffenen warten weiter auf Anerkennung.
Ein paar Minuten nachdem Peter D. (Name von der Redaktion geändert) seinen Arbeitsplatz in dem Lehrgebäude der Marineoperationsschule in Bremerhaven betrat, bekam er Kopfschmerzen, die Augen wurden trocken und brannten, ihm wurde übel. Begonnen hatte alles 2005. Jahre, nachdem er seine Arbeit in der zentralen Ausbildungseinrichtung der Deutschen Marine aufgenommen hatte. In seinem Gebäude arbeiten ständig etwa 25 Leute, bei Lehrgängen kommen bis zu 140 Zeitsoldaten in die Hörsäle. Zunächst hatte D. seine Beschwerden nicht dem Gebäude zuordnen können. Erst Monate, nachdem es schlimmer wurde, Schleimhautreizungen und Ohrenschmerzen hinzukamen, schöpfte er Verdacht. Es wurde besser, sobald er bestimmte Räume verließ, an Wochenenden oder im Urlaub ging es ihm gut. Als sich D. 2007 an seine Vorgesetzten wandte, passierte wenig. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass mein Problem richtig ernst genommen wurde. Keiner war zuständig", so Peter D.
Dabei hatten sich schon Jahre zuvor MitarbeiterInnen über ähnliche Probleme beschwert. 2005 überprüfte die "Gefahrstoffmessstelle Nord" der Bundeswehr die Räume der Marineoperationsschule und fand erhöhte Konzentrationen von flüchtigen Kohlenwasserstoffen sowie gesundheitsschädlichen Duftstoffen. In dem Prüfergebnis, das der taz vorliegt, wurde eine Gefährdung ausgeschlossen, jedoch empfohlen, regelmäßig zu lüften und die Reinigungsmittel zu wechseln.
In dem Gebäude werden auch Kampftaucher der Marine unterrichtet. "Die fielen bei Leberuntersuchungen immer dann durch, nachdem sie hier ihre Lehrgänge hatten", erinnert sich D. Ärzte hätten dies auf erhöhten Alkoholkonsum zurückgeführt. Nach einer weiteren Verschlimmerung, einem Zusammenbruch am Arbeitsplatz wurde bei D. eine Depression diagnostiziert, psychische Ursachen für die Krankheit vermutet.
Erst nach einer Strafanzeige handelte die Wehrbereichsverwaltung und erkannte 2009 "dringenden Verdacht auf Belastung der Raumluft durch Keime oder Schimmelpilze". Ein externes Gutachten des Bremer Umweltinstituts kann 2010 keine erhöhte Belastung der Raumluft durch organische Stoffe feststellen, jedoch Asbest und krebserregende Dämmfasern.
Seit einigen Monaten arbeitet D. wieder in Bremerhaven. Im alten Gebäude arbeitet niemand mehr, es wird seit 2010 saniert. Vor kurzem wurde ihm ein vergrößerter Lymphknoten entfernt. "Jahrelang versuchte ich zu erklären, dass das Gebäude krank macht. Jetzt wird es kernsaniert. Warum ist das nicht früher passiert?"
Die Beschwerden erinnern stark an die Beschreibungen in anderen Fällen, in denen MitarbeiterInnen sich über mögliche Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz beklagen, wie kürzlich im Bremer Landesinstitut für Schule (taz berichtete). Erik Petersen, Geschäftsführer des Ökologischen Ärztebundes erklärt, dass besonders die Wechselwirkungen verschiedener Giftstoffe auch bei unbedenklich kleinen Dosen auf Dauer zu Erkrankungen und generellen Überempfindlichkeit gegenüber chemischer Substanzen führen könnten. Die Ursache für eine solche "vielfache Chemikalienunverträglichkeit" in Umwelteinflüssen zu sehen, ist jedoch umstritten.
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