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Archiv-Artikel

ULRIKE WINKELMANN ÜBER DIE KRIEGSRHETORIK VON SIGMAR GABRIEL Durchsichtige Ablenkungsmanöver

Weil er selbst keinen Umgang mit dem Wort „Krieg“ findet, greift SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt die Bundesregierung dafür an. Es sei in Ordnung, sagt er, wenn Bürger und Soldaten in Bezug auf Afghanistan von Krieg sprächen. Doch die Politiker dürften dies nicht. Denn dann müssten sie Afghanistan völkerrechtlich korrekt den Krieg erklären. Die Unsinnigkeit dieser Forderung zeigt nur, dass Gabriel so tief in der semantischen Patsche sitzt wie Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg.

Gabriel fürchtet, dass das Kriegswort unnötige Aufregung bei denen schürt, die sich um Afghanistan bislang nicht groß geschert haben – viele SPD-Wähler zum Beispiel. Guttenberg und auch Merkel dagegen wollen durch ihre Abstraktionsformeln – „verstehe jeden, der sagt …“ – die Soldaten und auch die Wähler besänftigen, indem sie eine vermeintlich ehrliche Anerkennung der Lage, eine Art kantigen Realismus zur Schau tragen.

Doch wird durch den Namensstreit bloß versucht aufzuarbeiten, was juristisch wie faktisch längst feststeht. Die Völkerrechtler sprechen von einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, dies ist die Handlungsgrundlage auch für die Bundeswehr. Landeskenner wie Militärs nennen die Lage in der Provinz Kundus etwa seit 2008 Guerillakrieg.

Doch jetzt haben wir 2010. Der Nachrichtenstand hat den innenpolitischen Kampf um Worte längst überholt. Es wird im Norden schwere Kämpfe geben. Der afghanische Präsident Hamid Karsai wird zunehmend unberechenbarer, die Aussichten auf faire Parlamentswahlen dieses Jahr sind düster. Niemand weiß, ob das Aufstandsbekämpfungs-Konzept der Amerikaner funktioniert. Schön wäre, wenn die SPD wie die Koalition ihre linguistischen Ablenkungsmanöver aufgäben und eigene Lösungen für Afghanistan diskutierten.

Inland SEITE 6